Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Teranesia

Titel: Teranesia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
Vom Netzwerk:
aussieht, wenn Sie möchten.«
    »Nein, es geht schon.« Er drehte sich herum und ging zur Hütte, die rechts von ihnen stand. Der Eingang, der ins Zentrum des Kampungs zeigte, war hinter einem dichten Vorhang aus Schlingpflanzen verborgen; dafür waren die Wände an einer Ecke aufgebrochen, sodass man von dort einen viel einfacheren Zugang hatte.
    Grant folgte ihm. »Sie brauchen eine Taschenlampe, und wir sollten behutsam vorgehen. Wir wissen nicht, was sich im Innern befindet.«
    Prabir nahm die Lampe an, die sie ihm reichte. Sie hielt ihr Gewehr bereit, als er sich duckte, um die Hütte zu betreten. In den Jahren war Erde hineingeweht worden, und genügend Sonnenlicht drang durch die Öffnung in den Wänden und das umrankte Fenster, sodass sich bleiches Unkraut auf dem Boden hatte ausbreiten können. An einer Wand befand sich ein Haken, und darunter lagen die zerfaserten und geschrumpften Überreste eines rechteckigen Stücks Leinen.
    »Das war meine«, sagte er und zeigte auf die Hängematte. »Dort habe ich geschlafen.«
    »Gut.«
    Termiten mussten die Kiste gefressen haben, in der er seine Kleidung aufbewahrte, nachdem sich das Konservierungsmittel aus dem Holz verflüchtigt hatte. Jetzt wirkte die Hütte nackter als eine Gefängniszelle, aber sie war auch früher nie mit Geräten und Zierrat vollgestellt gewesen. Seine wichtigsten Besitztümer hatte er in seinem Notepad gespeichert.
    Nachts hatte er von dieser Hütte nach draußen geschaut, und seine Eingeweide hatten sich vor Sorge verkrampft. Dann hatte er an eine Tat gedacht, die alles rechtfertigen würde, was er empfand: ein Verbrechen, das seinen Schuldgefühlen entsprach, ein Alibi, das alles erklärte.
    Aber weswegen hatte er sich schuldig gefühlt? Hatte er etwas gestohlen, etwas kaputt gemacht? Was hätte schlimmer sein können, als die Arbeit seiner Eltern zu sabotieren?
    »Die Schmetterlingshütte.« Er kroch rückwärts nach draußen und versuchte sich dann zu orientieren. »Sie lag genau gegenüber.«
    Er zwängte sich zwischen Bäumen und Gestrüpp hindurch, während Grant ihm schweigend folgte. Es war der direkteste Weg, aber er hatte die anderen Hütten aus den Augen verloren, konnte nicht mehr genau sagen, wie sie im Kreis angeordnet waren.
    Die Tür der Hütte, der sie sich näherten, hatte sich aus der Verankerung gelöst, sodass der Eingang nur noch von Ranken verhangen war. Grant reichte ihm den parang, und er schlug sie ab. Dann richtete er den Strahl der Taschenlampe in die Dunkelheit.
    Madhusrees Kinderbett aus Kunststoff war mit Schimmelpilzen überzogen; es wirkte unförmig und war von ungewohnter Färbung, doch ansonsten unversehrt. Dahinter stand das Klappbett seiner Eltern, mit Trümmern übersät und verrotteter Schaumstoffmatratze in rostigem Metallgestell.
    Er hatte Angst um sie gehabt. Angst, dass sie zu Opfern des Krieges werden könnten, trotz der Abgelegenheit der Insel, trotz der Beteuerungen seines Vaters.
    Aber warum sollte er sich schuldig fühlen? Warum sollte er sich einbilden, er wäre schuld, wenn der Krieg die Insel erreichte? Auch wenn er sich gegen seine Eltern gestellt hatte und sie strafen wollte – auch wenn er an den Hängen des Vulkans geschrien hatte, dass er sich ihren Tod wünschte –, er war niemals abergläubisch genug gewesen, um daran zu glauben, dass ihm seine Wünsche erfüllt wurden.
    »Falsche Hütte«, sagte Prabir. »Es ist die Nächste.«
    Eine Wand der Schmetterlingshütte war nach außen gekippt, sodass die zwei kaum noch gestützten Dachplatten fast bis auf den Boden hingen. Das Resultat war ein wackeliges dreieckiges Prisma mit einer schmalen Lücke zwischen einer noch aufrecht stehenden Wand und dem schiefen Dach, durch die sich Prabir mit Mühe hindurchzwängen konnte. Grant folgte ihm.
    In der umgestürzten Wand hatten sich das Fenster und die Tür der Hütte befunden, und das sanfte Licht des Waldes drang im falschen Winkel durch die offenen Stellen, sodass die Dunkelheit kaum erhellt wurde. Prabir ließ den Strahl der Taschenlampe über den Boden streichen und suchte nach Spuren der Arbeitsfläche des Labors, aber das Holz war restlos den Termiten und Schimmelpilzen zum Opfer gefallen. Der Boden war mit einer knietiefen Schicht aus Zweigen und verrottenden Blättern bedeckt, die hereingeweht worden waren und nie wieder den Weg nach draußen gefunden hatten.
    In der gegenüberliegenden Ecke wurde der Lichtstrahl von zwei gelben Augen reflektiert. Es war ein Python, vielleicht halb so

Weitere Kostenlose Bücher