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Teranesia

Titel: Teranesia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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miterlebten.
    All das hatte er zerstört.
    Ihre Eltern hätten Ihnen niemals die Schuld gegeben! hatte Grant immer wieder zu ihm gesagt. Aber was bedeutete das? Die Toten gaben niemandem die Schuld. Was wäre, wenn seine Mutter überlebt hätte, von Trauer verkrüppelt, wenn sie gewusst hätte, dass er verantwortlich war? Zuerst hätte sie vielleicht versucht, ihn von seiner Schuld abzuschirmen, während er noch ein Kind war. Aber auch jetzt noch? Und für den Rest seines Leben?
    Und sein Vater…
    Er hatte kein Recht, sie auf diese Weise zu testen, sie aufzufordern, sich zwischen Verurteilung und Verzeihung zu entscheiden. Letztlich spielte es keine Rolle, welche Entschuldigungen sie für ihn konstruiert hätten, wie viel Mitgefühl sie ihm entgegengebracht hätten. Er wollte ihren fiktiven Segen nicht, er wollte überhaupt keinen vernünftigen Trost. Er wollte nur das Unmögliche: Er wollte sie wiederhaben.
    Er setzte sich auf den Boden und weinte.
    *
    Prabir kehrte zum Strand zurück, bevor es dunkel wurde. Er hatte den Willen zu sterben verloren, er wollte sich nicht mehr durch die Auslöschung seiner Existenz betäuben.
    Aber wenn er leben wollte, musste er mit dem Schmerz seiner Tat leben, nicht mit der Hoffnung, dass sie sich vielleicht auslöschen ließ. Denn das würde niemals geschehen. Er musste einen anderen Grund zum Weiterleben finden.



13
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    Grant verbrachte den nächsten Vormittag damit, den konservierten Schmetterlingen Gewebe zu entnehmen und ihre DNS zu sequenzieren. Selbst nachdem das São-Paulo-Protein Teile des Genoms verschlüsselt hatte, war es möglich, mithilfe der genetischen Marker einen plausiblen Stammbaum zu erstellen, wobei die Seriennummern als chronologische Richtschnur dienten.
    Prabir hatte in einem Punkt richtig vermutet: Das São-Paulo-Gen hatte sich verändert. Sein eigenes Protein hatte es nach und nach umgeschrieben, obwohl das zwanzig Jahre alte Protein viel geringere Modifikationen von einer Generation zur nächsten aufwies als die moderne Variante. Damit erhielt der Konvergenzprozess einen zusätzlichen Aspekt: Zumindest im Fall der Schmetterlinge war die Transformation selbst einer sukzessiven Wandlung unterworfen. Obwohl immer noch nicht klar war, wie das SPP diese ungewöhnlich vorteilhaften Mutationen hervorbrachte, hatten die Mutationen, die es an seinem eigenen Gen produzierte, ihm im Laufe der Zeit ermöglicht, den gesamten Prozess immer effizienter durchzuführen.
    Grant stellte die historischen Daten ins Netz und zollte der Arbeit von Radha und Rajendra Suresh die gebührende Anerkennung. Dann widmete sie sich den schlafenden Tieren und nahm Proben für die RNS-Transkriptionsanalyse. Es bestand keine Gefahr, dass ihnen die Untersuchungsexemplare ausgingen: Neben den sechs Tieren, die Prabir auf den Bäumen eingesammelt hatte, waren nun all ihre gefangenen Schmetterlinge in dieses Stadium eingetreten.
    Prabir sah ihr bei der Arbeit zu und half ihr, wo er konnte. Vielleicht war ihm nur bewusst geworden, was sie im Kampung für ihn getan hatte, aber ihr Gesicht kam ihm nun irgendwie netter vor, ihr ganze Art war freundlicher geworden. Es war, als hätte er endlich gelernt, den Dialekt ihrer Körpersprache zu lesen, genauso wie er sich an ihren ungewohnten Akzent gewöhnt hatte.
    Nach dem Abendessen saßen sie auf dem Deck, blickten aufs Meer hinaus, hörten Musik und planten das Ende ihrer Reise. Sofern am folgenden Morgen keine neuen Nachrichten aus São Paulo oder Lausanne eintrafen, die den gegenteiligen Eindruck erweckten, wollten sie davon ausgehen, dass sie genügend Daten gesammelt hatten, um die Erforschung der Mutanten in der näheren Zukunft voranzutreiben. Sie wollten sich wieder der Expedition anschließen und ein oder zwei Tage lang ihre Notizen von Angesicht zu Angesicht vergleichen, dann würde Grant nach Sulawesi zurückfahren, um ihr gemietetes Schiff abzugeben. Prabir war sich nicht sicher, ob er sie zu einem Abstecher nach Ambon überreden sollte. Es hing davon ab, wie Madhusree ihn empfangen würde.
    »Was werden Sie ihr sagen?«, fragte Grant.
    Prabir schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich kann ihr sagen, was ich Ihnen gesagt habe. Ich will ihr Leben nicht damit vergiften. Aber ich will sie auch nicht mehr belügen. Ich will nicht mehr so tun, als wäre ich hierher gekommen, um sie vor einem Trauma zu bewahren.«
    Grant warf ihm einen verärgerten Blick zu. »Ist Ihnen noch gar nicht der Gedanke gekommen, dass das immer noch wahr

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