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Teranesia

Titel: Teranesia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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eines Enzyms, das die DNS auftrennt und wieder zusammenführt – werden überall im Körper der schlafenden Schmetterlinge produziert. Ich habe es noch nicht genauer untersucht…« Sie verstummte.
    »Aber wenn es sich um die richtige Endonuklease handelt«, sagte Prabir, »könnte sie hervorragend für die Aufgabe geeignet sein, das São-Paulo-Gen ins Erbgut der Fruchttauben einzubauen.«
    Grant nickte und sprach widerstrebend weiter. »Der Anteil der DNS und der Endonuklease, der den Verdauungsvorgang übersteht und intakt in den Blutkreislauf gelangt, wäre äußerst gering, obwohl sich das Ganze vielleicht in eine Schutzhülle aus Liposomen verpacken ließe, ohne dass die Aufnahme durch die Darmwände beeinträchtigt wird. Dann gäbe es eine weitere Hürde, wenn das Gen in die Eierstöcke oder Hoden vordringen soll. Es könnte der Weg sein, auf dem die Übertragung erfolgt, aber das Gesamtbild ist noch keineswegs klar.«
    Prabir blickte über das Meer zurück; er konnte immer noch den Vulkankegel von Teranesia in der Ferne erkennen. »Alles andere könnte sich ebenfalls zurückentwickelt haben, nicht wahr? Wenn die Mimikry früher einmal dazu diente, die parasitischen Larven in die Fruchttauben zu bringen, und wenn die entsprechenden Gene nun ohne praktischen Nutzen bei eierlegenden Weibchen reaktiviert wurden, dann könnten sie ebenfalls bei den Männchen reaktiviert worden sein – einfach nur, weil der Schalter nicht mehr so exakt funktioniert.«
    »Das wäre möglich.«
    »Außerdem gibt es doch noch andere Verwendungsmöglichkeiten für Endonukleasen, nicht wahr? Es könnte einfach ein Zufall sein, dass das Gen für die Endonuklease zum gleichen Zeitpunkt wie die anderen eingeschaltet wurde.«
    »Denkbar.«
    Plötzlich lachte Prabir. »Was rede ich nur! Wir waren auf Teranesia, wir waren an der Quelle, und ich erwarte, dass sich das gesamte Rätsel innerhalb eines Tages löst. Ich habe einundzwanzig Jahre ohne Antwort gelebt. Also kann ich auch noch etwas länger warten.«
    Er blickte auf den Bildschirm. Eine Graphik des SPP in Furtados Artikel durchlief der Reihe nach sechzehn der möglichen Konfigurationen, während es mit einer der vier Basen des alten Stranges verbunden war und eine von vier neuen hinzufügte. Diese sechzehn einfachen Transformationen könnten jede denkbare Veränderung bewirken: Während der alte Strang zerlegt und der neue konstruiert wurde, konnte sich der Organismus in alles Mögliche verwandeln.
    Und welche wundersamen Neuerungen suchte sich das São-Paulo-Gen aus diesem endlosen Meer der Möglichkeiten heraus?
    Jene, die so viele Kopien des São-Paulo-Gens herstellten wie möglich.
    *
    Sie erreichten die Insel mit den Mangroven und nahmen denselben Kurs wie beim ersten Mal. Dann fuhren sie innerhalb des Riffs um die Küste herum. Als sie sich der Stelle näherten, wo die Expedition ihr Lager aufgeschlagen hatte, sah Prabir, dass das Fischerboot nicht mehr da war, aber nun hatte ein anderes Schiff seine Stelle neben dem Forschungsschiff eingenommen.
    Sie gingen vor Anker und wateten ans Ufer. Sie hatten erst die Hälfte der Strecke bis zum Lager zurückgelegt, als etwa fünfzig Meter vor ihnen ein junger Mann auf dem Strand auftauchte. Er trug Uniformhosen in Tarnfarben, Kampfstiefel und ein T-Shirt der Chicago Bulls. Er hob ein Gewehr und zielte damit auf sie, dann bellte er auf Englisch eine Reihe von Befehlen.
    »Halt, stehenbleiben! Legen Sie die Hände hinter den Kopf und knien Sie sich auf den Boden!«
    Sie gehorchten. Der Mann ging zu Prabir und hielt ihm die Waffe an die Schläfe. »Was machen Sie hier? Woher kommen Sie?« Prabir war viel zu aufgeregt, um sofort antworten zu können, doch als er sich bemühte, seinen Kehlkopf so weit zu entspannen, dass er wieder sprechen konnte, tröstete er sich mit der Erkenntnis, dass dieser Mann höchstwahrscheinlich kein Pirat war. Nur ein Soldat würde sich so genau für ihre Aktivitäten interessieren. Ganz gleich, welches Missverständnis diese Feindseligkeit ausgelöst hatte, das Problem würde sich zweifellos genauso schnell aus der Welt schaffen lassen.
    Grant antwortete mit ruhiger Stimme. »Ich bin Biologin, und das ist mein Assistent. Ich habe eine Genehmigung der Behörden von Ambon.«
    Die Reaktion des Soldaten auf ihre Erklärungen war nicht sehr ermutigend. »Beschissene ökumenische Ketzer!« Prabir verlor den Mut. Der Mann war kein molukkischer Soldat, sondern ein Angehöriger der Lord’s Army, der Miliz der

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