Teranesia
Wiedergeburtschristen aus West-Papua. Offiziell gehörten sie nicht einmal der Armee des Landes an, obwohl das Gerücht ging, dass sie heimlich von der Regierung unterstützt wurden. Seit Jahren hatten sie auf Aru für Unruhen gesorgt. Aber Aru lag fast dreihundert Kilometer östlich von hier.
»Wo waren Sie?«, wollte der Mann wissen.
»Auf der anderen Seite der Insel«, antwortete Prabir. Falls sich Teranesias zweifelhafter Ruf in der Region herumgesprochen hatte, wäre es vielleicht klüger, nicht zuzugeben, dass sie diese Insel besucht hatten.
»Sie lügen! Gestern war nichts von ihrem Schiff zu sehen.«
»Dann haben Sie uns übersehen. Wir befanden uns ein Stück innerhalb der Mangroven.«
Der Mann schnaufte verächtlich. »Sie lügen. Sie kommen mit mir. Colonel Aslan wird sich um Sie kümmern.«
*
Als sie durch das Lager geführt wurden, sah Prabir noch drei weitere bewaffnete Männer, die gelangweilt herumlungerten, sowie mehrere Teilnehmer der Expedition, die nervös in den Eingängen ihrer Zelte standen. Die Biologen wurden zwar nicht wie Geiseln bewacht, aber es handelte sich eindeutig nicht um ein gastfreundliches Verhältnis. Von Madhusree war nichts zu sehen. Prabir sagte sich immer wieder, dass es keinen Grund gab, warum die Soldaten irgendjemand etwas angetan haben sollten. Andererseits gab es auch keinen offensichtlichen Grund, was sie überhaupt hier zu suchen hatten. Vielleicht hatte es Meinungsverschiedenheiten gegeben, ob Aru zusammen mit West-Papua unabhängig werden sollte – auch wenn diese Aussicht inzwischen etwa genauso attraktiv war, als hätte man Westbengalen zu einem Teil von Pakistan erklärt –, aber Prabir konnte sich nicht vorstellen, was sich die Lord’s Army davon versprach, mitten im Staatsgebiet der RMS Ausländer zu behelligen.
Der Colonel hatte sein Quartier in einem Vorratszelt der Expedition eingerichtet. Prabir und Grant mussten draußen in der nachmittäglichen Sonne warten. Nach zwanzig Minuten murmelte ihr Bewacher missmutig etwas in seiner Muttersprache und zog sich in den Schatten eines Baumes zurück. Er setzte sich und legte sein Gewehr so auf ein Knie, dass es ungefähr in ihre Richtung wies.
»Sie wissen, mit wem wir es hier zu tun haben?«, flüsterte Prabir.
»Ja, sicher. Ich werde mich artig wie in der Sonntagsschule verhalten.« Grant wirkte eher verdrossen als ängstlich, als wäre dies nur ein weiteres Hindernis, dass sie irgendwie hinter sich bringen mussten, ähnlich wie den Marsch durch den Mangrovensumpf. Aber sie war weit gereist, also hatte sie sich vielleicht nur daran gewöhnt, gelegentlich festgenommen zu werden.
»Colonel Aslan? Könnte es ein ausländischer Söldner sein? Der Name klingt eher nach Zentralasien als nach dieser Gegend.«
Grant lächelte mit einer gewissen Herablassung. »Ich glaube, inzwischen ist es eine durchaus übliche Praxis, die bei der Konversion zum Christentum überall auf diesem Planeten gepflegt wird – zumindest wenn die Missionare sich früh genug einklinken können. Geben Sie nur nicht zu, Sie hätten eine Vorliebe für Türkischen Honig, dann dürften Sie keine Schwierigkeiten bekommen.«
»Türkischen Honig?«
»Keine Sorge. Es würde zu lange dauern, es zu erklären.«
Ein zweiter junger Soldat kam aus dem Zelt und warf ihrem Bewacher einen tadelnden Blick zu, der sofort aufsprang. Beide eskortierten Grant und Prabir ins Zelt, an Fässern mit Mehl und Kartons mit Toilettenpapier vorbei.
Colonel Aslan entpuppte sich als muskulöser Papuaner in den Dreißigern, offenbar ein Fan der Dallas Cowboys. Er saß hinter einem notdürftig aus Kisten zusammengebauten Schreibtisch. Als Grant ihm das Genehmigungsschreiben reichte, lächelte er liebenswürdig. »Sie sind also die berühmte Martha Grant! Ich habe Ihre Arbeit im Netz verfolgt. Sie waren mitten im Infektionsherd und haben es tatsächlich überlebt.«
»Es gibt keinen Hinweis darauf, dass diese Mutationen irgendwie ansteckend sind«, erwiderte Grant vorsichtig.
»Dennoch tauchen diese Geschöpfe auch in mehreren hundert Kilometern Entfernung auf. Wie erklären Sie sich das?«
»Ich habe dafür keine Erklärung. Es wird noch eine Weile dauern, bis alle Fragen beantwortet sind.«
Aslan nickte mitfühlend. »Und bis es soweit ist, bleibt mein Land und mein Volk schutzlos diesen Scheußlichkeiten ausgeliefert. Wie soll ich angemessen darauf reagieren?«
Grant zögerte. »Die Auswirkungen, die der unabsichtliche Transport von Flora und Fauna, sei es
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