Teranesia
immer verglichen: Wir leben in einer solchen Aue, wir gehören nicht zum Hauptstrom. Aber der Fluss bildet immer wieder solche Arme. Es liegt in seinem Wesen, dass es im Verlauf der Generationen immer wieder geschieht.«
»Vielleicht ist es ehrlicher, es auf diese Weise auszudrücken«, räumte Prabir ein. »Wir haben keine Wahl; wir sind durch Zufall an diesem Ufer gestrandet.« Er zuckte die Achseln. »Aber ich bin froh, dass ich vom Strom abgeschnitten bin, dass ich gestrandet bin.«
Felix dachte darüber nach, dann gab er geheimnisvoll zu bedenken: »Vielleicht bist du das gar nicht. Vielleicht macht es nur den Eindruck.«
Prabir lachte. »Glaubst du, dass ich als Samenspender schwarzarbeite?«
»Nein. Aber du solltest dich fragen, warum es Gene im Fluss gibt, die zur Entstehung dieser Auen führen. Was gewinnt eine Art langfristig, wenn sie diese Eigenschaft beibehält? Das Geschlecht des Objekts der Begierde zu vertauschen könnte die am wenigsten riskante Methode sein, um jemanden unfruchtbar zu machen; es ist ungefährlicher, als an der Anatomie oder den endokrinen Funktionen herumzupfuschen – und vor hunderttausend Jahren lief es vielleicht noch nicht darauf hinaus, dass man deswegen ständig Prügel einstecken musste.«
Prabir hegte Zweifel, aber er war bereit, diese Möglichkeit zumindest theoretisch in Betracht zu ziehen. »Aber worin sollte der Vorteil bestehen, unfruchtbar zu sein?«
»Unter bestimmten Bedingungen«, erklärte Felix, »sind unfruchtbare Erwachsene in der Lage, mehr zum Überleben der Art beizutragen, wenn sie für ihre nahen Verwandten statt für eigene Kinder sorgen. Es dauert so lange, ein Menschenkind großzuziehen, dass es sich lohnen könnte, gelegentlich einen unfruchtbaren Nachkommen zu haben, sozusagen als Zusatzversicherung, damit er sich um die anderen kümmern kann, falls den Eltern etwas zustößt.«
Prabir löste sich aus Felix’ Armen und setzte sich auf die Bettkante. Sein Herz klopfte, und er hatte einen roten Streifen vor den Augen, aber er hatte sich ohne nachzudenken losgerissen. Er verlor immer noch viel zu schnell die Beherrschung, obwohl er in acht langen Jahren bei Keith und Amita gelernt hatte, sich einfach nur zurückzuziehen, statt sich durch Aggression zu verteidigen.
»Prabir? Scheiße. Ich wollte dich nicht…« Felix wälzte sich herum und setzte sich neben ihn.
Prabir wartete, bis er wieder ruhig sprechen konnte. »Also bin ich nur deswegen so geworden.«
»Komm schon, du weißt genau, dass ich es nicht so gemeint habe.«
»Wirklich nicht?«
»Nein!« Felix gelang es, gleichzeitig zerknirscht und entrüstet zu klingen. »Selbst wenn die Theorie stimmt… dann beschreibt sie nicht mehr als das Überleben eines Merkmals aufgrund eines statistischen Vorteils. Sie sagt nichts über die Motivationen von Individuen aus.« Es folgte ein betretenes Schweigen, dann räumte er ein: »Aber es war sehr grob von mir, es auf diese Weise anzusprechen. Tut mir Leid.«
»Vergiss es.« Prabir starrte auf das abgewetzte Linoleum zu seinen Füßen, während seine Wut verrauchte. »Weißt du, dass ich in der Highschool versucht habe, Beziehungen mit Mädchen anzufangen, von denen ich glaubte, Madhusree könnte zu ihnen aufblicken?« Er lachte, obwohl ihn diese Erinnerung immer noch erschaudern ließ. »Womit das ganze Vorhaben vermutlich von vornherein zum Scheitern verurteilt war, selbst wenn ich hetero gewesen wäre. Und als ich endlich aufhörte, mir einzubilden, es bestünde eine Chance… hatte ich das Gefühl, schon wieder alles verpatzt zu haben. Ich konnte ihr nicht einmal eine vernünftige Schwägerin bieten, um die Dummheit wieder gut zu machen, dass ich sie zu Amita gebracht habe.«
»Du hättest ihr mehr Vertrauen entgegenbringen sollen«, sagte Felix. »Du hättest wissen müssen, dass sie so etwas nicht braucht.«
Prabir schnaufte verächtlich. »Später ist das leicht gesagt! Aber wie soll man darauf vertrauen, dass ein Kind es irgendwann verwinden wird, wenn es von Idioten aufgezogen wurde? Sollte ich etwa davon ausgehen, dass sie mit genügend angeborenem Menschenverstand ausgestattet ist, sodass niemand ihr etwas antun könnte, das bleibende Schäden hinterlässt?«
»Hmm.« Felix schien wirklich nicht zu wissen, was er darauf erwidern sollte. Oder er wollte sich nur diplomatisch verhalten.
»Aber du hast Recht«, gestand Prabir ein. »Madhusree brauchte keine Rollenvorbilder. Als wir Amita verließen, hatte ich es verstanden. Und ich
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