Teranesia
ist?« Prabir spürte einen eiskalten Hauch an seinem Rückgrat. Er war – entweder bewusst oder aus Gewohnheit – wieder in den gedämpften Tonfall zurückgefallen, den er immer dann benutzt hatte, wenn sie in seinem Zimmer in Amitas Haus über ihre Eltern gesprochen hatten.
»Es ist nicht sicher«, sagte er. »Wie kommst du darauf, es könnte sicher sein?«
Madhusree versuchte seine Miene zu ergründen. »Weil der Krieg jetzt seit fast achtzehn Jahren vorbei ist.«
Prabir befreite gereizt seine Hand aus ihrem Griff. »Ja, und in der Regierung von West-Papua sitzen lauter Verrückte…«
»Ich gehe nicht nach West-Papua…«
»Die Anspruch auf die Hälfte der Inseln erheben…«
»Von denen wir keine auch nur von ferne zu sehen bekommen!«
Prabir spürte ein Pochen in seinem Schädel. Falls dies kein Traum war, dann konnte es nur eine Art Prüfung sein. Er hatte sie in Sicherheit gebracht und jetzt stand sie am gefährlichen Ufer und plapperte in ihrem kindlichen Unverstand davon, wieder ins Wasser zu springen.
»Die Inseln sind immer noch vermint«, sagte er. »Glaubst du wirklich, jemand hätte sich die Mühe gemacht, sie alle von Minenräumkommandos absuchen zu lassen?«
Madhusree ging ihre Dateien durch, dann richtete sie ihr Notepad auf den Fernseher. »Dieses Gerät befestigt man sich am Gürtel. Wenn es im Umkreis von zwanzig Metern irgendwelche Sprengstoffe gibt, schlägt es Alarm.«
Das Ding war etwa so groß wie eine Streichholzschachtel. »Ich glaube dir nicht«, sagte Prabir. »Die Sprengladungen stecken im Boden! Weißt du, dass die Indonesier NQR-empfindliche Minen hatten? Wenn du ein Funksignal aussendest, ermitteln sie deine exakte Position und feuern dir eine Granate in die Eingeweide.«
»Es arbeitet nicht mit Nuklear-Quadrupol-Resonanz, sondern völlig passiv. Es erkennt die Strahlungssignatur von Sprengstoffen: Sekundärteilchen aus der kosmischen und Hintergrundstrahlung, die von den entsprechenden Atomen emittiert werden.«
»Und… dieses Ding soll empfindlich genug sein, um die chemische Struktur aus sekundärer Strahlung zu ermitteln?«
Madhusree nickte ernsthaft.
Prabir starrte auf den Bildschirm und kam sich wie ein vertrottelter Hundertjähriger vor, der nur einmal geblinzelt und ein ganzes Jahrzehnt verpasst hatte. »Ich war wohl zu lange im Bankgeschäft.«
»Ist das nicht eine Tautologie?«
Prabir lachte und spürte, wie in ihm etwas zerriss. Er konnte nachgeben, es würde keine Probleme geben. Er könnte »Geh schon! Geh schon!« rufen und mit ihr durchs Zimmer tanzen, den stolzen und hilfreichen großen Bruder spielen. Dann würde sie aufbrechen und die Reputation ihrer Eltern wiederherstellen und ihre Arbeit zu Ende führen, wie eine Märchenprinzessin, die aus dem Exil zurückkehrte, um alle Ungerechtigkeiten zu beseitigen und alles wieder gut zu machen.
»Ich kann es mir nicht leisten«, sagte er.
»Wie bitte?«
Er sah sie an. »Fünftausend Dollar? Ich habe nicht nachgedacht. So viel habe ich überhaupt nicht auf dem Konto. Und dann die Zusatzkosten…« Er hob bedauernd die Hände.
Madhusree biss sich auf die Unterlippe und warf ihm einen ungläubigen Blick zu, aber Prabir war sich ziemlich sicher, dass sie sein Täuschungsmanöver nicht durchschaute. Sie wäre bereit, das ganze Wochenende mit ihm über die Gefahren der Expedition zu streiten, aber wegen des Geldes würde sie niemals eine Szene machen.
»Okay«, sagte sie. »Ich weiß, dass es sehr viel ist. Dann muss ich zusehen, dass ich es auf andere Weise auftreibe.«
»Auf andere Weise? Wie viel Zeit bleibt dir noch?«
»Zwei Monate.«
Prabir runzelte mitfühlend die Stirn. »Und woran hast du gedacht?«
Madhusree hob die Schultern und antwortete beiläufig: »Ich habe ein paar Ideen. Mach dir deswegen keine Sorgen.« Sie stand auf und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.
Prabir schlug sich die Hände vors Gesicht. Er hasste es, sie anzulügen, aber er war jetzt überzeugt, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Selbst wenn dort auf der Insel wirklich eine revolutionäre Entdeckung wartete – und nicht nur ein äußerst unangenehmes Mutagen, das für jeden spektakulären Überlebenden eine gewaltige Zahl totgeborener Opfer hinterließ, die im Dschungel verrotteten –, dann könnte sie sich genauso wie jeder andere darüber informieren.
Dann wäre sie sehr wütend. Aber es würde sie nicht umbringen.
*
»Bist du sicher, dass es okay ist, wenn ich hier bin?« Felix’
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