Teranesia
was seine Aufmerksamkeit erregt hatte. »Damals hast du sie vor dem Krieg in Sicherheit gebracht. Dorthin wird sie nicht zurückkehren.«
Prabir hatte das Interesse verloren, sich zu rechtfertigen. »Du warst nicht dabei«, sagte er matt. »Du hast keine Ahnung, wie es war.«
Doch so leicht ließ sich Felix nicht einschüchtern. »Nein, aber ich werde mir anhören, was immer du mir zu sagen hast. Es wäre eine verdammt einsame Welt, wenn das nicht mehr funktionieren würde.«
Prabir zielte tiefer. »Ist dir niemals in den Sinn gekommen, dass es Dinge geben könnte, die ich gar nicht verstehen will?«
*
Prabir arbeitete bis zum späten Abend, um seinen Geist möglichst lange abzulenken. Er bastelte fünf Stunden lang an der Perfektionierung von Definitionskriterien für Geldautomaten herum und versuchte, den Augenkontakt zu verbessern und die Reaktionszeit um ein paar Millisekunden zu beschleunigen. Schließlich gab er es auf, verwarf alles, was er ausprobiert hatte und löschte manuell sämtliche automatischen Backups – das, was der physischen Erfahrung des Zerknüllens eines Blatts Papier am nächsten kam.
Als er das Gebäude verließ, verspürte er eine Art trotzigen Stolz, statt des gewöhnlichen Ärgers über seine Dummheit. Schließlich hätte er in dieser Zeit durchaus sinnvollere Dinge tun können. Aber er wollte es vermeiden, Felix oder Madhusree zu sehen, und er wollte auch nicht mit seinen Gedanken allein sein. Wenn er sich jeden Abend mit einigen Stunden sinnloser Arbeit betäubte, bis er beinahe im Stehen einschlief, war das wesentlich besser, als es mit Alkohol zu versuchen.
Als er im Bus saß, tat ihm der ganze Körper weh. Außerdem zitterte er, obwohl er beim Einsteigen wie üblich den Schwall warmer Luft gespürt hatte. Schockiert erkannte er, dass er sich vermutlich eine leichte Virusinfektion eingefangen hatte. Trotz des extremen Klimawechsels hatte er sich seit seiner Ankunft in Toronto nicht ein einziges Mal erkältet, da die Einwanderungsbehörde ihn gegen alles Mögliche geimpft hatte. Doch seitdem hatte er keine der Prophylaxen auffrischen lassen, und nun sah es so aus, als hätte ein neuer Stamm schließlich seine Schutzwälle durchbrochen.
Als er das Apartment betrat, stand die Tür zu Madhusrees Zimmer offen, aber drinnen war es dunkel. Nachdem sich Prabirs Augen daran gewöhnt hatten, konnte er selbst aus einiger Entfernung erkennen, dass ihr Schreibtisch aufgeräumt und alle anderen Sachen weggeräumt oder auf ordentliche Haufen gestapelt waren.
Am Kühlschrank klebte ein Zettel. Sie hatte ihm nie genau gesagt, wann die Expedition aufbrechen würde, aber etwas in dieser Richtung hatte er schon seit einigen Tagen erwartet.
Er las ihre Nachricht mehrere Male wie unter Zwang durch, damit ihm kein Detail entging. Madhusree erklärte, dass sie sich einen Teil des Geldes in einem Cafe verdient und sich den Rest von Freunden geborgt hatte. Sie entschuldigte sich, dass alles hinter seinem Rücken geschehen war, wies aber darauf hin, dass es auf diese Weise für sie beide einfacher sei. Sie versprach, nichts über die Arbeit ihrer Eltern zu verraten, bis sie zurückgekehrt war und sie die Gelegenheit erhalten hatten, ausführlich über alles zu reden. Also konnte die Expedition völlig unbeeinflusst entdecken, was es zu entdecken gab. Sie würde in drei Monaten zurück sein. Und sie würde gut auf sich Acht geben.
Prabir saß in der Küche und Tränen strömten ihm über die Wangen. Er hatte nie zuvor mehr Glück oder Stolz für sie empfunden. Endlich hatte sie alle Schwierigkeiten überwunden. Sogar ihn. Sie hatte erfolgreich vermieden, sich weiterhin von seiner Paranoia und Unsicherheit erdrücken zu lassen.
Plötzlich erinnerte er sich wieder an den Abend, als sie beschlossen hatten, Amita zu verlassen. Am Anfang der Woche hatte Madhusree verkündet, dass ihre Klasse jetzt begonnen hatte, die Bürgerrechtsbewegung durchzunehmen. Und während des Abendessens am Freitag hatte sie Keith und Amita mitgeteilt, dass sie nun endlich verstanden habe, worum es in ihrer akademischen Arbeit eigentlich ging.
Keith hatte mit einem siegessicheren Grinsen zu Prabir aufgeblickt, und Amita hatte gegurrt: »Du bist ein so kluges Kind! Warum erzählst du uns nicht, was du gelernt hast?«
Madhusree hatte ihre Erklärung mit der typischen Redseligkeit einer Neunjährigen abgegeben. »In den Neunzehnhundertsechzigern und -Siebzigern gab es in allen demokratischen Ländern Menschen, die gar keine
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