Teranesia
einer Brücke zu springen.
Er legte sich in die Wanne und tauchte bis zum Kinn unter. Er ging noch einmal die Nachricht an Felix und Madhusree durch; sie befand sich in seinem Notepad in der Küche und wartete nur darauf, abgeschickt zu werden, aber Prabir kannte sie in- und auswendig. Er beschloss, dass er mit dem Wortlaut zufrieden war. Sie waren schließlich keine Idioten; sie würden seine Gründe verstehen und sich keine Selbstvorwürfe machen.
Er hatte getan, was er sich vorgenommen hatte: Er hatte Madhusree in Sicherheit gebracht. Darauf war er stolz. Aber es würde ihnen beiden nichts nützen, wenn er weitere fünfzehn Jahre lang immer wieder dieselben Übungen durchging, nur weil es das Einzige war, was ihm lohnenswert schien.
Er hätte sie beinahe daran gehindert, an der Expedition teilzunehmen, womit er ihre ganze Karriere zerstört hätte. Zwei Tage nach ihrer Abreise wäre er ihr beinahe gefolgt, womit er sie vor ihren Kollegen zutiefst erniedrigt hätte. Und obwohl er wusste, dass ihr keine Gefahr drohte, gab es nichts, was seine Sorge zerstreuen konnte, dass er sozusagen untätig zusah, während sie über ein Minenfeld spazierte.
Es gab nur eine Möglichkeit, diesen Knoten zu lösen.
Prabir zog die Klinge über sein linkes Handgelenk. Er spürte kaum, wie sie in die Haut drang. Dann öffnete er die Augen, um das Ausmaß der Verletzung zu begutachten.
Eine rote Wolke, die bereits größer als seine Hand war, breitete sich im Wasser aus. Das dunkle Zentrum wirkte beinahe fest, wie eine blutgefüllte Membran, die sich aus der Öffnung in seiner Haut hervorschob. Mehrere Sekunden lag er reglos da und beobachtete, wie die Wolke größer wurde, wie sich sein Herzschlag auf den Blutfluss auswirkte, und verfolgte die Ausläufer der Flüssigkeit, die sich an den Rändern im Wasser auflöste.
Dann erklärte er laut, um jeden Zweifel auszuräumen: »Das will ich nicht tun. Ich werde es nicht tun!«
Er kam auf die Beine und griff nach einem Handtuch. Die Wunde war noch schockierender, als sie an die Luft kam und ihm das Blut über Bauch und Beine spritzte. Er wickelte das Handtuch darum und wäre fast auf dem Fußboden des Bads ausgerutscht, als seine Lähmung einer wachsenden Panik wich.
Taumelnd verließ er das Bad. Es war doch nur ein Schnitt, ein papierdünner Schlitz. Es musste doch irgendeine Möglichkeit geben, die Blutung zu stoppen. Eine Aderpresse. Aber wo genau sollte er sie anbringen? Und wie fest musste sie sein? Wenn er etwas falsch machte, konnte er trotzdem verbluten. Oder den Arm verlieren.
Er ging vor dem Fernseher in die Knie. »Suche: Erste Hilfe im Notfall.«
Sofort füllte sich der gesamte Bildschirm mit winzigen Symbolen; es schienen Tausende zu sein. Es sah aus wie ein Garten aus mutierten roten Kreuzen, stilisierten Blumen in einem Spielprogramm zur Simulation der Evolution. Prabir schwankte, während er gleichzeitig schockiert und fasziniert war und zu überlegen versuchte, was er als Nächstes tun sollte. Hilf mir, Baba!
»Kein religiöser, mystischer oder spiritueller Notfall.« Der Garten wurde sichtlich ausgedünnt. »Keine alternative oder holistische Medizin.« Das Handtuch färbte sich rot. »Kein Yin, kein Yang, kein Chi, kein Karma. Kein Segen, kein Sermon, kein Seelenheil…«
Der Fernseher erwiderte selbstgefällig: »Ihre Filterstrategie ist redundant.« Dann zeigte der Bildschirm ein Venn-Diagramm, um es zu demonstrieren. Mit seinen ersten drei Worten hatte er etwa ein Viertel der Symbole eliminiert, doch danach hatte er sich nur auf verschiedene Teilmengen der New-Age-Scharlatane bezogen, die er bereits hinausgeworfen hatte. Die überflüssigen Therapieformen, die noch nicht ausgefiltert waren, erforderten ein gänzlich anderes Vokabular.
Prabir wusste nicht mehr, wie er weitermachen sollte. Er deutete wahllos auf ein Symbol, worauf ein angenehmes, geschlechtsneutrales Gesicht erschien und zu sprechen begann: »Wenn der Körper ein Text ist, wie Derrida und Foucault uns gelehrt haben…«
Prabir schloss das Fenster, dann fiel er lachend vornüber, während er sich den Kopf mit den Unterarmen hielt und mit der Stirn auf die Wunde drückte. »Danke, Amita! Danke, Keith!« Wie hatte er nur alles vergessen können, was sie ihn gelehrt hatten?
»Keine transgressiven Therapien.«
Er blickte auf. Tausende von Symbolen waren verschwunden, aber es waren immer noch Zehntausende übrig. Ein halbes Dutzend neuer Moden hatten die antiwissenschaftliche Welt seit den Tagen
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