Teranesia
ihr etwas Geld geliehen habe.«
Felix wartete auf eine Erwiderung. Prabir wand sich in gespielter Entrüstung. »Verräter!« Er schüttelte den Kopf und lächelte beschämt. »Nein, ich komme damit klar. Es tut mir nur Leid, dass ich euch beiden solche Schwierigkeiten gemacht habe.«
Sie setzten sich in die Küche. »Bald wird sie unabhängig sein«, sagte Felix. »Bald wird sie ihr eigenes Geld haben. Und ihre eigene Wohnung.«
Prabir war verletzt. »Glaubst du, dass es nur darum ging? Dass es mir Spaß macht, sie knapp bei Kasse zu halten, damit ich ihr sagen kann, was sie tun und lassen soll?«
Felix murrte, als er so sehr missverstanden wurde. »Nein. Ich wollte nur wissen, wie deine Pläne aussehen. Denn sobald sie selbst für sich sorgen kann, bist auch du frei, zu tun und zu lassen, was du willst. Den Job bei der Bank kündigen. Reisen, studieren.«
»Ach ja? So reich bin ich gar nicht.«
Felix zuckte die Achseln. »Ich werde dir helfen.«
Prabir war es peinlich. »So arm bin ich andererseits auch nicht.« Er dachte nach. »Wenn ich in der Bank bleibe, bis sie ihr Studium abgeschlossen hat… wären das noch zehn Jahre. Dann habe ich Anspruch auf einen Teil meines Rentenfonds.« Er erschauderte, als ihm plötzlich bewusst wurde, dass er über Geld redete, während Madhusree in diesem Augenblick ausgerechnet zu jenem Ort unterwegs war, von dem er sie mit allen Mitteln hatte fernhalten wollen. »Es ist seltsam. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so ruhig reagieren würde. Aber eigentlich ist sie ja auch gar nicht in Gefahr, nicht wahr?«
»Überhaupt nicht.«
»Seram, Ambon, Kai Besar… jetzt sind es nur noch Inseln wie alle anderen.«
»Sicherer als Mururoa.«
»Habe ich dir jemals erzählt«, fragte Prabir, »wie sie einmal im Netz mit einem texanischen Kreationisten über die Evolutionstheorie diskutiert hat, und er anschließend öffentlich verkündete, dass sie ihn überzeugt hatte?«
Felix lächelte und schüttelte den Kopf. »Nein. Erzähl es mir.«
»Er war ein sehr tapferer Mann. Er wurde exkommuniziert oder was auch immer sie mit abtrünnigen Kreationisten machen.«
»Ich glaube, der Fachbegriff lautet ›lynchen‹.«
Sie unterhielten sich bis vier Uhr nachts. Als sie schließlich ins Bett taumelten, war Felix nach wenigen Sekunden eingeschlafen. Prabir starrte mit müden Augen auf die offene Tür seines Zimmers. Obwohl sie das Apartment nun ganz für sich allein hatten, fühlte er sich ungeschützt, aber ihm war zu kalt, um aufzustehen und die Tür zu schließen.
Er träumte, dass sein Vater im Türrahmen stand und hereinschaute. Prabir konnte sein Gesicht in der Dunkelheit nicht erkennen und fragte sich verzweifelt, ob es einen missbilligenden Ausdruck hatte. Alles, was er über Rajendra wusste, deutete darauf hin, dass er nicht ungehalten reagiert hätte, aber Prabir war trotzdem beschämt, dass sein Vater in dieser Situation ohne Ankündigung hereingestolpert war.
Doch als die Silhouette im Türrahmen detailreicher wurde, erkannte Prabir, dass sein Vater gar nichts von Felix wusste. Seine Gedanken beschäftigten sich mit viel wichtigeren Dingen. Rajendra hielt ein Baby in den Armen, das schlaff wie eine Flickenpuppe war. Er wiegte es behutsam und weinte in untröstlicher Trauer.
*
Prabir lag so lange in der Badewanne, dass schließlich kein Platz mehr war, um heißes Wasser nachzulassen. Er stieg zitternd heraus und zog den Stöpsel.
Als die Wanne wieder volllief, nahm er den Brieföffner, schloss die Augen und führte probeweise die Bewegungen aus. Er vermied bewusst jede Berührung zwischen der Klinge und seiner Haut; der einzige Teil des Messers, mit dem er Kontakt hatte, war der Plastikgriff.
Jeder, der sich eine Nadel durch die Wange stechen konnte, musste auch in der Lage sein, den betreffenden Teil seines Gehirn einzulullen, bis er glaubte, dass von ein paar Kratzern mit diesem Spielzeug keine wirkliche Gefahr drohte.
Als er wieder in die Wanne stieg, verbrühte er sich die Beine und fluchte verärgert. Er wollte jetzt keinerlei Schmerzen verspüren, sondern so angenehm wie möglich sterben. Doch jedes potenziell tödliche und legale Medikament, das er vielleicht in die Hände bekommen konnte, wurde nur mit einem Enzym zur Dosisbegrenzung ausgeliefert, und er brachte es nicht fertig, eine Droge auf der Straße zu kaufen, was ihn völlig von sich selbst entfremdet hätte. Abflussreiniger wäre noch widerwärtiger, und er glaubte nicht, dass er den Mut aufbrachte, von
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