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Teranesia

Titel: Teranesia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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unterhalten sich schließlich nicht mit einem Kollegen aus der Biologie. Ich weiß viel zu wenig Bescheid, um ketzerische Ansichten erkennen zu können, und meine Meinung hat nicht den geringsten Einfluss auf ihren akademischen Ruf. Sie haben nichts zu verlieren.«
    Grant lächelte und lehnte sich gegen die Reling. »Und wenn Sie es Ihrer Schwester erzählen? Wie würde ich dann dastehen?«
    Prabir war beleidigt. »Madhusree kann ein Geheimnis für sich behalten.«
    »Ha! Aber Sie nicht, wie? Jetzt weiß ich, wie weit ich Ihnen vertrauen kann.«
    Prabir ging nicht darauf ein. »Was wäre, wenn irgendein mutagener Giftstoff vor Jahrzehnten auf irgendeine der unbewohnten Inseln gebracht wurde?«, sagte er. »Ein paar Dutzend Fässer mit Industrieabfällen, vielleicht chemisch verwandt mit den Substanzen, die man benutzt, um bei Fruchtfliegen Mutationen auszulösen?« Es war unwahrscheinlich, dass jemand solche Mühen auf sich genommen hatte, statt die Fässer einfach im Meer zu versenken, aber es war nicht unmöglich. Außerdem musste er nicht zwangsläufig auf die Deponie gestoßen sein, da er keineswegs jeden Winkel der Insel erkundet hatte. Dass der Effekt erst nach einiger Zeit von den Schmetterlingen auf andere Spezies übergegriffen hatte, konnte auf eine plötzliche Erhöhung der Giftstoffkonzentration in der Ökologie zurückzuführen sein. Vielleicht waren die Fässer nach der langen Zeit allmählicher Verwitterung irgendwann aufgeplatzt, oder die Lagerstätte war durch einen Sturm freigelegt worden. Genauso konnte sich das Gift nach und nach über die Nahrungskette verbreitet haben. »Die erfolgreichen Mutationen gedeihen und vermehren sich, und die Widerstandsfähigsten haben es geschafft, andere Inseln zu erreichen. Dass wir bislang keine ungünstigen Mutationen gesehen haben, liegt einfach nur daran, dass die betroffenen Tiere auf der Stelle gestorben sind.«
    Grant betrachtete ihn mit unverhohlener Verärgerung; sie schien wirklich kein Bedürfnis zu verspüren, sich über dieses Thema auszulassen. Aber sie war auch nicht bereit, seine Spekulation unkommentiert stehen zu lassen. »Vielleicht könnten Sie die ungewöhnliche Anzahl genetischer Veränderungen mit einem starken chemischen Mutagen erklären, aber trotzdem ergibt das Muster keinen Sinn. Demnach hätte ein gewisser Anteil der Tiere, die von dieser hypothetischen Insel entkommen sind, wenigstens ein paar irrelevante Abweichungen aufweisen müssen – anatomische oder biochemische Veränderungen, die keine tödlichen oder nachteiligen Folgen haben, die aber auch keinen Nutzen bringen. Doch bislang wurde so etwas nicht beobachtet.«
    »Sicher, aber selbst der ›irrelevanteste‹ Nachteil könnte schwerwiegende Folgen haben, wenn man Hunderte von Kilometern zurücklegen muss, um sich bemerkbar zu machen. Vielleicht bekommen wir nur die Mutanten zu Gesicht, die deutlich von den Veränderungen profitiert haben. Ich meine, man muss schon über eine gute Konstitution verfügen, um von irgendeiner abgelegenen Insel im Süden den weiten Weg bis nach Ambon zu fliegen.«
    Grant warf ihm einen seltsamen Blick zu. »Auf Seram wurde ein mutierter Baumfrosch gefunden, der unmöglich einen längeren Weg zurückgelegt haben kann. Er kann eigentlich nur dort geschlüpft sein.« Seram war eine große Insel, die nur zehn Kilometer nördlich von Ambon lag. Die Küstenregionen waren dicht bevölkert, und Teile des Inselinneren waren durch Holzfäller und Bergarbeiter ausgebeutet worden, aber es gab noch beträchtliche Flächen mit intaktem Regenwald. Falls Grant es sich in den Kopf setzte, nach Norden abzudrehen und durch die Dschungel von Seram zu stapfen, würde er niemals in die Nähe von Madhusrees Expedition gelangen.
    »Zwischen den größeren Inseln verkehren ständig Fähren«, gab Prabir zu bedenken. »Ein Baumfrosch könnte problemlos in eine Obstkiste geraten sein – oder sogar an Bord eines Flugzeugs. Die menschliche Mobilität kann die Dinge immer bis zu einem gewissen Grad komplizieren.«
    »Das ist richtig. Aber warum sind Sie so sicher, dass diese Tiere unbedingt einen längeren Weg zurückgelegt haben?«
    Prabir dachte sorgfältig nach, bevor er antwortete.
    Selbst wenn er nichts von Teranesia gewusst hätte, wäre es dann nicht sinnvoll anzunehmen, dass es irgendwo ein Epizentrum gab? »Wenn diese Tiere selbst nicht gereist sind«, sagte er schließlich, »muss das zumindest für ihre Eltern oder Großeltern gelten. Wenn man die Mutationen zu ihrem

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