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Teranesia

Titel: Teranesia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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verschmelzen. Lontar war die größte und lag am weitesten im Süden, und Prabir konnte gerade noch die Ränder erkennen, die links und rechts über das kleinere Inselpaar im Norden hinausragten.
    Er blickte sich zur Kabine um. Grant schien noch nicht aufgestanden zu sein, also beschloss er, sie nicht zu stören, und urinierte über die Reling. Er überlegte, ob das Schiff anhalten und auf ihn warten würde, wenn er ins Wasser sprang, um sich zu erfrischen. Der Autopilot würde das Ereignis zweifellos registrieren, aber wie er darauf regierte, hing davon ab, wie Grant ihn programmiert hatte. Also entschied er, es lieber nicht darauf ankommen zu lassen.
    Er setzte sich auf das Deck und betrachtete den Vulkan. Vögelgezwitscher wehte über das Meer heran, ein schwaches, verzerrtes Echo des Chors, von dem er als Kind geweckt worden war. Er lachte matt. Er kannte diese Gewässer, er kannte diese Sterne, er kannte den Gesang dieser Vögel…ja und? Die meisten Menschen verbrachten ihr Leben in derselben Stadt, in der ihre Eltern gestorben waren, häufig sogar im selben Haus. Nur weil er das ganze Land hinter sich gelassen hatte, erschienen ihm die Dinge nun so bedeutungsvoll. Dieser Ort war nichts Besonderes; es bestand keine Gefahr, in die Vergangenheit zurückgezogen zu werden.
    Grant kam aus der Kabine und stellte sich neben ihn. Obwohl sie verschlafen gähnte, lächelte sie über den spektakulären Anblick, der sich ihnen bot.
    »Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht«, sagte sie, »aber ich stinke. Ich werde jetzt eine Runde schwimmen gehen.«
    Sie fuhren in den leicht gekrümmten Kanal zwischen Lontar und den anderen Inseln, vorbei an einem moosbewachsenen holländischen Fort, und hielten Kurs auf die Hauptstadt von Banda Neira. Unter ihnen breitete sich ein riesiger Korallengarten aus, der im klaren Wasser deutlich zu erkennen war. Grant jauchzte beinahe vor Entzücken und schrie jedes Mal begeistert auf, wenn sie wieder eine neue Fisch-, Schwamm- oder Anemonenspezies entdeckt hatte. Prabir stand neben ihr und bemühte sich um eine herablassende Haltung; auch wenn er nicht jedem dieser Geschöpfe einen Namen zuordnen konnte, hatte er das alles doch schon häufig gesehen, wenn die Fähre auf dem Weg nach Ambon hier vorbeigekommen war. Damals waren die Bandas ein Touristenzentrum gewesen; im Hafen hatten sich Flitterwöchner aus Beijing getummelt, um sich mit Schnorcheln und – unergründlicherweise und vor allem längst nicht so friedfertig – mit Jet-Ski zu vergnügen. Doch irgendwann zwischen dem Krieg, dem Ausbruch von 2016 und den nachfolgenden kleineren Erdbeben schien das Tourismusgeschäft dieselbe Entwicklung wie der Gewürzhandel genommen zu haben.
    Sie fanden einen Anlegeplatz und machten sich auf den Weg in die Stadt. Abgesehen von einem aufgegebenen modernen Hotel waren die Gebäude gut in Schuss, und Prabir gewann nicht den Eindruck, dass hier Armut und Verfall herrschten. Banda Neira schien den Abstieg in die Bedeutungslosigkeit mit Würde zu ertragen. Die Menschen bewegten sich ohne Hektik zu Fuß oder per Fahrrad. Der Vulkan ragte über der Hauptstraße auf, kaum drei Kilometer entfernt. Von hier aus ließ sich nicht mehr erkennen, dass er auf einer ganz anderen Insel lag.
    Nach einer Weile wurden sie von einem Schwarm Kinder verfolgt: keine Bettler, sondern nur neugierige, überschwängliche Kinder, die lange nach dem Ausbleiben der letzten Touristen geboren worden waren. Als sie fragten, woher die Besucher kamen, und Prabir mit ›Kanada und Wales‹ antwortete, löste er damit lautes Gelächter aus. Vielleicht waren sie noch zu jung, um jemals von diesen Ländern gehört zu haben, und dachten, dass es sich um erfundene, aber nicht sehr phantasievolle Namen handelte. Als es Prabir endlich gelang, seinerseits eine Frage zu stellen, war die Antwort enttäuschend, wenn auch nicht sehr überraschend: Die Expedition der Biologen war hier nicht vorbeigekommen.
    Einer der Jungen sagte ihm mit völlig ernster Miene: »Deine Frau ist sehr schön. Sag ihr, dass sie sehr schön ist.« Prabir übersetzte das Kompliment, ließ aber die Vermutung einer ehelichen Beziehung aus. Bereits in Ambon hatte er sich überlegt, dass es viele Dinge vereinfachen könnte, wenn sie die Menschen einfach in diesem Glauben ließen. Aber er hatte noch keine Gelegenheit gehabt, mit Grant darüber zu reden, und er wollte es auf keinen Fall in der Öffentlichkeit diskutieren.
    Grant konsultierte ihr Notepad, dann bogen sie in eine

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