Teranesia
frage, ist der, dass ich vermeiden möchte, dass sie noch einmal dorthin zurückkehren muss.«
Grant zögerte, während sie noch einmal genauer über seine bisherigen Hinweise und Andeutungen nachdachte. »Ihre Eltern sind dort gestorben? Im Krieg? Sodass Sie und Ihre Schwester plötzlich ganz allein waren?«
»Ja.« Prabir hatte nicht beabsichtigt, ihr so viel zu enthüllen; er sah, das er damit ein Mitgefühl auslöste, das an Grants angeborenem Zynismus nagte, was ihm wesentlich unangenehmer war, als sie einfach nur anzulügen. Trotzdem war er bereit, daraus Nutzen für sich zu schlagen. »Meine Eltern hatten einen Knebelvertrag mit ihrem Sponsor, genauso wie Sie. Deshalb wurde nichts von ihrer Arbeit veröffentlicht. Ich wollte, dass Ihre Leistung endlich anerkannt wird und die Informationen für jeden zugänglich werden. Wie es von Anfang an hätte sein sollen.«
Grant schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich kann es nicht riskieren. Es könnte mich völlig ruinieren.«
»Also wird Ihr Sponsor stattdessen Sie in Vergessenheit geraten lassen, genauso wie Silk Rainbow es mit meinen Eltern machte? Sie hatten die erste und beste Theorie. Sie haben genauso hart wie jeder andere in dieser Gruppe gearbeitet.« Er deutete auf die Zelte, die rund um sie herum standen. »Wenn ich die Expedition zur Quelle führe und irgendein Harvard-Trottel zufällig auf dieselbe Antwort stößt, wird man Sie nicht einmal in einer Fußnote erwähnen.«
Prabir beobachtete sie unbehaglich, während er sich fragte, ob er zu plump vorging. Aber wenn sie sich nicht mit den Einschränkungen des akademischen Lebens anfreunden konnte, müsste sie genauso empfindlich auf jede Beschneidung ihrer Freiheiten durch ihren Sponsor reagieren. Wenn die Möglichkeit bestand, einen eigenen Weg zu gehen und die Sache heil zu überstehen – und obendrein großen Ruhm zu ernten –, dann musste die Versuchung für sie unwiderstehlich sein.
Sie flüsterte verärgert: »Das kann ich jetzt nicht entscheiden. Ich muss darüber nachdenken, ich muss mit Michael sprechen…«
»Ich geben Ihnen Bedenkzeit bis zum Sonnenaufgang. Dann erwarte ich Sie unten am Strand.«
Grant warf entsetzt einen Blick auf die Uhr. »Drei Stunden?«
»Das ist dreimal so viel, wie Sie mir in Ambon gewährt haben.«
»Sie mussten nur Ihre Sachen packen! Ich setze meine gesamte Zukunft aufs Spiel!«
»Richtig, vor dieser Entscheidung stand ich nicht. Aber Sie haben damals nichts davon gesagt, dass Sie mich als Schlangenfutter missbrauchen würden.«
Grant öffnete den Mund, um zu protestieren.
»Das war nur ein Scherz!«, sagte Prabir. »Ein dummer Spruch! Ich habe einen schweren Tag hinter mir.«
*
Prabir lag auf der ausgeborgten Matratze, ohne Schlaf zu finden. Er hatte seine Uhr angewiesen, ihn um Viertel vor sechs zu wecken, aber um fünf Uhr war er so unruhig, dass er es nicht länger im Zelt aushielt. Er zog seine eigenen Sachen an, die er in Süßwasser gewaschen und zum Trocknen aufgehängt hatte – und machte sich auf den Weg zum Strand.
Er setzte sich und beobachtete, wie die Sterne verblassten, und horchte auf die ersten Vogelstimmen.
Nach dem unterbrochenen Schlaf hatte er einen üblen Geschmack im Mund, und seine Wahrnehmungen hatten eine schmerzhafte Direktheit, als wären seine Sinne mit einem Beizmittel behandelt worden. Selbst die leichte Aufhellung des Himmels tat ihm in den Augen weh. Sein ganzer Körper schien zu schmerzen, woran nicht nur seine körperliche Erschöpfung schuld war; nach dem langen Marsch durch den Sumpf waren seine Beine völlig ausgelaugt gewesen, doch nun schien jeder einzelne Muskel von einer gleichartigen Erschöpfung gezeichnet zu sein. Genauso hatte er sich auf den Tanimbar-Inseln nach der langen Bootsfahrt gefühlt. Nachdem der sterbende Soldat ihm das große Geheimnis anvertraut hatte.
Dann hörte er aus einiger Entfernung ein Geräusch. Einer der Männer vom Fischerboot war zum salat al-fajr an den Strand gekommen, zum moslemischen Morgengebet. Prabir bekam eine Gänsehaut, aber das gespenstische Gefühl hielt nur einen Sekundenbruchteil an; der Fischer war ein junger Melanese, der keinerlei Ähnlichkeit mit dem Soldaten hatte.
Als er mit dem Gebet fertig war, kam der Mann näher und begrüßte Prabir freundlich. Er stellte sich als Subhi vor und bot ihm eine selbstgedrehte Zigarette an. Prabir lehnte dankend ab, aber der junge Mann blieb neben ihm sitzen, während er rauchte. Der Tabak war mit Nelken aromatisiert; das
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