Terminal 3 - Folge 1: Sterben hat seine Zeit. Thriller (German Edition)
herum. »Geht es etwa um meine Unterlagen? Wurden Sie gestohlen?«
»Nein«, sage ich. »Nein, Ihre Unterlagen sind in Sicherheit.«
»Gut«, sagt er und atmet aus. »Gut, dann bin ich beruhigt.« Er wischt mit einem Tuch über seine Stirn. »Meine Unterlagen sind sehr wichtig.«
»Wegen des Kongresses, ich weiß.«
»Ja. Sie wissen das, Mister Fanlay.« Er nickt. »Sie wissen, wie wichtig meine Unterlagen sind.«
»Es geht um den roten Koffer«, sage ich.
Sein Gesicht hellt sich auf. »Ist die Überraschung gelungen?«
Ich schaue ihn an. »Welche Überraschung?«
»Die in dem Koffer. Der Mann sagt, es sei eine Überraschung.«
»Der Mann, der Ihnen den Koffer gegeben hat?«
Der Professor nickt.
»Wie sah er aus, der Mann?«
Der Professor sieht mich an, wiegt den Kopf hin und her. »In etwa so wie Sie.«
»Wie ich?«
»Ja, so wie Sie. Vielleicht etwas größer, und die Haare, die Haare waren anders. Aber sonst …«
»Würden Sie ihn wiedererkennen?«
Der Professor senkt den Kopf. »Ich kann mir Gesichter nicht besonders gut merken. Vor allem bei … bei …« Er hebt die Hände und verstummt.
»Bei Nichtasiaten?«, frage ich.
»Es tut mir aufrichtig leid«, sagt er. »Sie … Sie sehen für mich alle gleich aus. Ich hoffe, Sie verzeihen meine Ignoranz.« Sein Kopf rutscht noch tiefer. »Ich bedaure, dass die Überraschung nicht gelungen ist.«
»Woher kannten Sie ihn?«, frage ich.
»Von hier. Ich sprach ihn an, weil ich … Weil ich Kleingeld brauchte. Wegen der Kopierer, wissen Sie.«
»War das heute?«
»Nein«, sagt er. »Nein, das ist schon einige Tage her. Montag, glaube ich. Oder Mittwoch. Ich weiß es nicht mehr genau. Ich spreche mit so vielen Menschen.«
»Erinnern Sie sich noch, um welche Uhrzeit das war?«
»Vielleicht so gegen Mittag? Vielleicht auch später. Er bot mir fünfzig Dollar an, wenn ich ihm einen kleinen Gefallen tun würde. Ich helfe gern. Ich kenne viele wichtige Leute, wissen Sie.«
»Ja«, sage ich, »ich weiß.«
»Außerdem müssen Männer der Wissenschaft zusammenhalten.«
»Wie meinen Sie das?«
»Na ja, er war ein Forscher, ein Wissenschaftler. Das war ganz deutlich zu erkennen.«
»Woran?«
»An seiner Art, seiner Sprache, seinem Denken.«
»Was hat er noch zu Ihnen gesagt?«
Der Professor überlegt. »Wo ich den Koffer abholen sollte.«
»Und wo?«
»In einem Schließfach. Und er sagte mir, wo genau ich ihn abstellen sollte. Und dass mich niemand dabei beobachten dürfte. Ich hatte den Eindruck, dass ihm dieser Punkt besonders wichtig war. Er bestand sogar darauf, dass ich einen Hut tragen müsse. Eine Art Strohhut. Es war fürchterlich, er passte überhaupt nicht zu meinem Jackett. Alle haben mich angestarrt, ich habe mich sehr unwohlgefühlt.«
»Was war mit dem Geld?«, frage ich. »Hat er das Ihnen im Voraus gegeben?«
»Das lag im Schließfach, bei dem Koffer.«
»Warum haben Sie den Koffer erst heute abgeholt?«
»Er wollte das so. Er sagte: am Freitag. Am Freitagabend, um halb elf. Ich habe mir das extra aufgeschrieben.«
Er blättert in dem Notizblock und reißt eine Seite heraus. Ich stecke sie ein.
»Haben Sie den Mann danach noch mal wiedergesehen?«
»Wiedergesehen?« Er schüttelt den Kopf. »Man sieht nur selten jemanden wieder. Die Menschen gehen irgendwohin, fliegen weg, und dann kommen sie nicht mehr zurück.« Er wirkt auf einmal sehr traurig. »Aber bald …«, sagt er. »Bald fliege ich auch weiter. Nach Vancouver, zu dem Kongress.« Er verstummt kurz, dann sagt er: »Fünfzig Dollar … Das könnte reichen, um alle Unterlagen zu fotokopieren. Meinen Sie nicht?«
»Bestimmt sogar«, sage ich. »Bestimmt reicht das.«
Der Professor lächelt, und ich stehe auf.
»Ich will Sie dann auch nicht länger von Ihren Forschungen abhalten«, sage ich. »Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.«
»Männer der Wissenschaft müssen doch zusammenhalten«, sagt er.
»Ich bin auch ein Wissenschaftler?«
»Aber selbstverständlich, Mister Fanlay. Sie erforschen die Menschen.«
Er lächelt immer noch, und ich denke an Duane Parker und daran, dass er sich mit diesen Antworten nicht zufriedengeben wird.
»Gibt es einen Ort, wo Sie hinkönnen?«, frage ich. »Ich meine, außer hier.«
Er sieht zu mir hinauf, legt die Stirn in Falten. »Aber ich muss doch nach Vancouver. Man erwartet mich dort. Ich soll einen wichtigen Vortrag halten.«
»Ja«, sage ich. »Stimmt.«
Ich gehe, und er fragt: »Und meine Unterlagen sind wirklich
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