Terminal 3 - Folge 1: Sterben hat seine Zeit. Thriller (German Edition)
hinüber zu der Ladenzeile spannt sich gelbes Absperrband. Die Geschäfte sind geschlossen, die Schalter verlassen. Entlang der Absperrung stehen uniformierte Polizisten. Einige von ihnen tragen Maschinenpistolen. Ich reihe mich ein in die Gruppe der Zaungäste.
»Was ist passiert?«, frage ich, ohne jemanden direkt anzusprechen.
»Sie haben einen Koffer gefunden«, sagt eine alte Frau neben mir. Sie hebt den Arm.
In einiger Entfernung sehe ich eine Gestalt in einem sandfarbenen Schutzanzug. Sie bewegt sich langsam, schwerfällig wie ein Taucher auf dem Meeresgrund. Sie trägt einen großen Helm mit Glasvisier. Ein Taucherhelm, denke ich. Nur der Schlauch für die Luftzufuhr fehlt.
»Bei herrenlosen Gepäckstücken reagiert man hier immer äußerst sensibel«, sagt die alte Frau mit den grauen Locken und der dicken Brille.
Ich schaue wieder zu der Gestalt in dem Schutzanzug hinüber, und jetzt erkenne ich auch ihr Ziel: Ein braunes Rechteck, etwa zehn Yards vor ihr.
»Was für ein unnötiger Aufwand«, sagt die alte Frau. »Sehen Sie sich nur die ganzen Polizisten an! Wenn man nur nicht jedes Mal das ganze Terminal sperren würde.«
»Der Koffer konnte niemandem zugeordnet werden«, entgegnet ein dunkelhaariger Mann. Er trägt ein weißes Hemd ohne Krawatte, das Jackett offen, die Hände in den Hosentaschen. »Es hat auch niemand auf die Durchsagen reagiert. Was soll man da machen? Das Risiko ist einfach zu groß.«
»Das Risiko? Welches Risiko?«, fragt die alte Frau.
»Weiß man denn, was sich in dem Koffer befindet?«, schalte ich mich ein.
»Zumindest keine Bombe«, sagt die alte Frau. »So viel steht fest.«
»Das wissen wir erst, wenn der Koffer untersucht wurde«, sagt der Mann.
»Ich bitte Sie, Mister Fanlay! Wenn das eine Bombe ist, warum ist sie dann nicht schon längst hochgegangen? Worauf wartet man denn noch? Voller wird es hier nicht.«
»Darauf kann ich Ihnen leider keine Antwort geben«, sagt der Mann, der Fanlay heißt.
»Wenn das eine Bombe wäre, wäre sie längst hochgegangen«, beharrt die alte Frau. »Das kann ich Ihnen versichern. Wofür gibt es Fernauslöser? Heutzutage reicht dafür ein handelsübliches Mobiltelefon.« Sie winkt ab. »Aber es ist vergebene Liebesmüh. Sie hören ja ohnehin nicht auf mich.«
»Aber ich freue mich jedes Mal, wenn Sie mich an Ihren Gedanken teilhaben lassen, Mrs Williams.«
Mister Fanlay lächelt, und Mrs Williams murmelt etwas, das ich nicht verstehe. Dann erfasst eine plötzliche Anspannung die Schaulustigen, und Mrs Williams verstummt.
Allison Turner
Ich trinke. Mein Magen zieht sich schmerzhaft zusammen. Ich lege meine Hand auf meinen Bauch, und er entspannt sich wieder und hinterlässt ein Loch. Ich versuche, mich an meine letzte Mahlzeit zu erinnern.
»Wo haben Sie denn gegessen?«, frage ich. »Ich meine, als Sie Ihren Flug verpasst haben.«
Michael zeigt nach rechts. »Da vorne ist so ein kleiner Burgerladen. Wie gesagt, ich hatte nicht viel Zeit.«
»Und war der Burger gut?«, frage ich.
»Der Burger war steinhart, die Pommes waren zu weich und der Milchshake so kalt, dass man ihn nicht trinken konnte.« Er zieht an seinem Strohhalm. »Fast so schlimm wie das hier.«
»Scheint nicht Ihr Tag zu sein«, sage ich, und plötzlich schüttelt mich etwas, ruckt durch meinen gesamten Körper, und ich lache. Ich halte mich am Tresen fest und lache. Etwas bricht auf und fällt von mir ab. Wie alte Kruste. Ich lache, bis sich die Leute zu uns umdrehen.
»Entschuldigung«, sage ich, als das Schütteln endlich nachlässt. Tränen laufen über meine Wangen. »Bitte entschuldigen Sie.«
»Schon gut«, sagt Michael. »Lachen Sie ruhig. Ich glaube, das tut Ihnen ganz gut.«
Ich wische mir die Tränen aus dem Gesicht, trinke einen Schluck. Meine Lippen sind taub vom Alkohol.
»Wie meinten Sie das eben?«, frage ich schließlich.
»Wie meinte ich was?«, fragt er zurück.
»Dass es mir ganz guttut zu lachen.«
»Na ja, ich weiß nicht«, sagt Michael. »Es geht mich nichts an, aber vorhin im Flugzeug, da … Sie sahen irgendwie ziemlich mitgenommen aus.«
»Und jetzt nicht mehr?«
Er sieht mich an. »Nein. Nein, jetzt nicht mehr.«
Mein Strohhalm schlürft über den Glasboden, und ich bestelle einen Weißwein. Bookbinder versucht nicht, mich zu einem weiteren Cocktail zu überreden. Anscheinend bin ich tatsächlich angetrunken.
»Woher wussten Sie eigentlich, dass mein Anschlussflug ausgefallen ist?«, frage ich später.
»Das haben Sie
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