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Terra Madre

Terra Madre

Titel: Terra Madre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Petrini
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Süden der Erde sind wir noch nicht so weit (erst seit 2007 leben weltweit mehr Menschen in Städten als auf dem Land), aber durch den Zuzug verzweifelter ehemaliger Bauern wachsen die großen Metropolen wie Mexiko-Stadt, São Paulo, Mumbai, Lagos oder Beijing ungehemmt. Die Bauern, zermürbt von ihrem entbehrungsreichen und immer mühseligeren Leben im Schraubstock der Agro-Industrie, die sich nur im großen Maßstab bezahlt macht, verkaufen ihr Land in der Hoffnung auf ein neues, besseres Leben in der Stadt. Die meisten von ihnen tragen jedoch nur dazu bei, dass die Zahl der Elenden in den Slums am Stadtrand weiter ansteigt. Das anscheinend unaufhaltsame Wachstum der Megalopolen ist beängstigend: 1950 gab es weltweit nur 86 Städte mit mehr als einer Million Einwohnern, heute sind es bereits 400 und 2015 werden es mindestens 550 sein. Die städtische Bevölkerung Chinas, Indiens und Brasiliens zusammengenommen entspricht bereits derjenigen ganz Europas und Nordamerikas. Zwar stehen hinter diesem Phänomen auch höhere Wachstumsraten bei der städtischen Bevölkerung selbst, doch die Landflucht trägt ebenfalls einen wesentlichen Teil dazu bei.
    Würden diese Entwicklungen wenigstens dazu führen, den auf dem Land verbliebenen Bauern bessere Lebensbedingungen zu verschaffen, hätte das Ganze zumindest einen positiven Effekt. Aber das Gegenteil ist der Fall. Wer auf der nördlichen Halbkugel im Sold der mächtigen Agro-Industrie steht, ist nicht mehr Herr seiner eigenen Arbeit. Die Bauern, die von den Lebensmittelmultis zu Akkordarbeitern degradiert wurden, besitzen weder eigene Tiere noch das Saatgut für die von ihnen angebauten Kulturen. Das agro-industrielle System hat den Bauern alles genommen. Was ihnen bleibt, sind Böden, deren Fruchtbarkeit ständig abnimmt, und Tiere, deren Gesundheitszustand labil ist, weil sie wie in einer Fließbandfabrik aufgezogen werden. Das Futter liefern riesige Monokulturen von Soja, Mais oder Raps, die immer gravierendere Probleme verursachen.
    Die wirtschaftlichen Vorteile schrumpfen, die Gewinnmargen selbst der Großindustrie sind äußerst niedrig. Ein Preiseinbruch oder ein ungünstiger Witterungsverlauf können bereits genügen, um riesige landwirtschaftliche Familienbetriebe mit langer Geschichte in den Ruin zu treiben. Die Vorstellung, dass einige wenige reiche Bauern in der Lage sind, große Mengen an Lebensmitteln von minderer Qualität für riesige Massen zu produzieren, stellt sich als Illusion heraus. Diese Bauern verdienen nicht genug, weil ihre Betriebe fortlaufend Verluste schreiben. Sie überleben nur dank reichlich fließender Subventionen, die die westlichen Regierungen leisten, damit die Landwirtschaft in ihren Staaten nicht gänzlich ausstirbt.
    Aber auch den Bauern im Süden der Welt geht es nicht besser. Viele sehen als einzige Alternative zum Leben in der Stadt oft nur den Freitod. In Indien begehen jedes Jahr mindestens 20.000 Bauern Selbstmord, weil sie die wachsenden Schulden für den Ankauf von Saatgut, Düngemitteln und Pestiziden nicht mehr tragen können. Diese furchtbare Zahl zeigt unmissverständlich, wie zerstörerisch die industrielle Landwirtschaft im Kleinen wirkt, auch für die Menschen: Das sind Opferzahlen eines Krieges.
    Die Entvölkerung der ländlichen Gebiete und die Verarmung der Landbevölkerung führen unweigerlich zur Auflösung des sozialen Gefüges der bäuerlichen Gemeinschaften. Die Lebensbedingungen werden immer schlechter, und niemand ist mehr gewillt, das Land zu bestellen. Betrachtet man die Welt der Lebensmittelindustrie vom Standpunkt der Bauern aus, zeigt sie ein unmenschliches, schreckliches Gesicht. Sie nimmt ihnen jede Motivation, gute Arbeit zu leisten, für die Umwelt Sorge zu tragen und gute Lebensmittel für sich selbst und die eigene Gemeinschaft zu erzeugen. Auch das ist das Ergebnis einer Niedrigpreispolitik: Die Lebensmittel essen die Bauern auf.
    Die Verschwendung isst alle Menschen auf
    Ist der Preis einer Ware niedrig und ihr Wert gering, scheint es normal, sie achtlos zu verschwenden. Dies geschieht auf immer dramatischere und immer ungerechtere Weise auch mit den Lebensmitteln. Wir haben gerade die Zahl von einer Milliarde hungernder Menschen auf der Welt überschritten. Die internationale Staatengemeinschaft hat sich zum Ziel gesetzt, diese Zahl bis zum Jahr 2015 beträchtlich zu verringern. Doch stattdessen steigt sie unablässig weiter.
    Umso mehr schockiert das Ausmaß der Verschwendung. In Italien

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