Terra Mater
sie zwei gelbe Punkte in der Dunkelheit aufleuchten. Ein wilder Tigerbär! Die großen Raubtiere wagten sich nur selten in die Nähe der Stadt, doch dieses große Exemplar stand jetzt drohend auf seinen Hinterbeinen zehn Meter vor ihr und bleckte sein weit aufgerissenes Maul über den spitzen Stoßzähnen.
Phoenix’ Herz raste, doch sie versuchte, Ruhe zu bewahren und rührte sich nicht. Dann sprach sie die heilige Formel des Abyners Elian. Und als sie unsichtbar geworden war, rannte sie zur Treppe
Das abrupte Verschwinden seiner Beute verwirrte den Tigerbären nur kurz. Zwar sah er Phoenix nicht mehr, doch er roch sie. Als er begriffen hatte, dass sie noch immer in der Nähe war, stieß er ein fürchterliches Heulen aus und sprang ihr hinterher.
Doch seine Tatze verfehlte sie. Phoenix hatte sich gerade noch rechtzeitig in den Eingang zu der unterirdischen Stadt retten können, ein Ort, der für ihn schnell zu einer tödlichen Falle werden konnte.
Er gab die Verfolgung auf und trottete davon.
Der Motorenlärm des Raumschiffs der Gleba durchbrach die morgendliche Stille. Die ersten Strahlen von Farfadet 1 überzogen den Himmel und die Eiswüste mit rosafarbenem Licht.
Es landete nicht auf dem etwa zwanzig Kilometer von der Stadt entfernten Astroport, sondern ein paar hundert Meter vor dem Eingang.
Die Landung war gefährlich. Sie löste einen Schneesturm aus und hätte ebenso zu gravierenden Gletscherverschiebungen führen können, die das Leben der unter der Erde lebenden Menschen bedroht hätten.
Sobald sich die Turbulenzen gelegt hatten, tauchten bewaffnete Wachleute auf und umstellten das Raumschiff. Die Tür im Rumpf öffnete sich, und eine automatische Rolltreppe wurde ausgefahren.
Prinz San Francisco der Amerikaner betrat sie als Erster. Ihm folgten ein Gock-Kind, zwei Gock-Männer, ein junger und ein alter, und zwanzig Jersaleminer. Die Wachleute wussten nicht, wie sie sich verhalten sollten. Natürlich wussten sie, dass die Rebellen auf ihrem Trabanten nicht willkommen waren, doch da sie keine präzisen Befehle erhalten hatten, zögerten sie, auf einen ihrer Prinzen das Feuer zu eröffnen.
»Einer von Euch soll meine Ankunft den großen Abynern melden!«, sagte San Francisco laut, als er das Eis betrat.
»Das ist unmöglich, Prinz, denn sie feiern den morgendlichen Gottesdienst«, entgegnete einer der Wächter.
»Dann begleitet ihr uns zum Salmon-Tempel!«
»Aber, mein Prinz …«
Der Wächter schwieg. Jeder seiner Proteste wäre vergeblich gewesen. Die Leibwächter des Prinzen hatten sich um ihren Herrn geschart, alle die Hand an den Knauf ihres Schwerts gelegt. Die drei Gocks standen im Hintergrund, neben der Rolltreppe. Sie froren trotz ihrer dicken Kleidung erbärmlich und zitterten am ganzen Körper. Ihre Lippen waren blau.
Obwohl die Wächter den Neuankömmlingen in der Zahl und Art der Bewaffnung überlegen waren, wollten sie ihr Leben nur wenige Tage vor der Ankunft der Xaxas nicht riskieren.
»Du kennst den Weg, mein Prinz. Es ist nicht nötig, dass wir dich begleiten«, wagte einer der Wächter zu sagen.
»Worauf wartet ihr hier?«, fragte San Francisco. »Auf die ersten Xaxas?«
»Der Tag kommt immer näher, und wir halten nach den Vorboten der himmlischen Zugvögel Ausschau …«
San Francisco nickte. »Die Gesänge des Alls, die Winde der Klarheit, der Tanz der Kometen …«
»Wie ich sehe, hast du die Verse der Neuen Bibel nicht vergessen, mein Prinz …«
Die Wächter traten beiseite, um die kleine Gruppe vorbeizulassen. Dass sie sich geweigert hatten, Blut zu vergießen, konnte ihnen während dieser gesegneten Tage des Ruhms und des Verzeihens nicht vorgeworfen werden.
Doch niemand unter ihnen dachte daran, zwischen der Anwesenheit eines Gock-Kindes und einem Vers aus dem Großen Buch der Xaxas’ eine Verbindung herzustellen.
Der Gesängen des Alls, den Winden der Klarheit und dem Tanz der Kometen wird das Erscheinen eines unschuldigen
Kindes aus fernen Ländern vorhergehen, eines Kindes, das allein durch die Kraft seiner Liebe die wilden Tiere der großen Wüste besiegte …
Die in regelmäßigen Abständen von massiven Holztüren durchbrochenen Eistunnel, die Straßen der Stadt Elian, lagen verlassen da. Jek, Robin de Phart und Marti trugen keine Stiefel mit rutschfesten Sohlen und gingen vorsichtig. Manchmal kamen sie an quadratischen Säulen vorbei, in denen menschliche Körper eingefroren waren.
Jek hatte Moskau gefragt, warum man diese Menschen
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