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Terra Mater

Terra Mater

Titel: Terra Mater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Bordage
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hätte nie vermutet, dass er wegen dieser Meinungsverschiedenheit hätte ins Exil gehen müssen. Obwohl mittlerweile zwanzig Jahre vergangen waren, liebte sie ihn noch immer und vertraute
auf seine Gefühle zu ihr. Sie bedauerte, ihn nicht begleitet zu haben, doch damals war sie erst fünfzehn gewesen, und ihr Vater, Dallas, und ihre Mutter, Cheyenne, hatten ihr verboten, sich den Rebellen anzuschließen. Jetzt, mit sechsunddreißig, war sie immer noch eine Schönheit. Sie hatte über all die Jahre jeden Heiratsantrag rigoros abgelehnt, obwohl sie nie eine Nachricht von San Francisco bekommen hatte. Und wenn ihr Herz ihr auch unablässig sagte, dass er sie nicht vergessen habe und dass er bald kommen und sie holen werde, sagte ihr Kopf ihr, dass die Zeit wegen der Ankunft der Xaxas drängte. Sie war beunruhigt. Noch wusste sie nicht, wie sie sich entscheiden sollte, wenn die himmlischen Zugvögel vor dem Prinzen eintreffen sollten, denn sie zweifelte stark daran, dass das Jer Salem des Lichts die Süße Edens ohne den Mann ihres Herzens haben werde.
    »Was glaubst du, wie werden sie sich entscheiden?«, fragte Denver, eine Sechzigjährige, die neben Phoenix von einem Bein aufs andere hüpfte.
    Kleine Dampfwolken kamen aus ihrem Mund, und trotz ihres Alters war ihr bronzefarbenes Gesicht ohne Falten. Wie die junge Frau trug auch sie einen Pelzmantel, Hosen und gefütterte Stiefel.
    »Es wäre eine Verfluchung unserer Herzen und unserer Köpfe, sollten wir von den Kanadiern und den Mexikanern annektiert werden!«, sprach Denver weiter. »Es wäre ein Fluch, der auf dem gesamten erwählten Volk lastet! Wir hätten die ursprüngliche Ordnung der vierzig Stämme gebrochen … Warum musste der Prinz San Francisco öffentlich den großen Abynern widersprechen? Seinetwegen hat uns der Schöpfer samt seinen Göttern vielleicht aus ihren Herzen verbannt und uns den Weg zum himmlischen Jer Salem versperrt …«

    »San Francisco hat auf sein Herz gehört!«, entgegnete Phoenix entschlossen.
    Denver hörte auf zu hüpfen und warf der jungen Frau einen schrägen Blick zu. »Ich hatte vergessen, dass Liebe und Scharfsicht einander oft ausschließen«, sagte sie mit einem Funkeln in den schmalen Augen.
    Sie hatte es satt, in der Kälte zu warten, und jetzt war endlich eine Gelegenheit gekommen, ihre Wut an jemandem auszulassen.
    »Deinen Prinzen wirst du nie wiedersehen«, sagte sie voller Häme, weil sie wusste, wie verzweifelt Phoenix San Francisco liebte. »Und selbst auf Jer Salem wirst du eine alte Jungfer mit vertrocknetem Herzen und unfruchtbarem Bauch sein … Nie wirst du das Vergnügen kennenlernen, von einem richtigen Mann genommen zu werden …«
    Phoenix hatte das Gefühl, als würde ihr ein Eispickel ins Herz gestoßen. Sie hätte am liebsten ihren Dolch gezogen und der zynischen Frau die Kehle durchgeschnitten. Von ohnmächtigem Zorn erfüllt, starrte sie die Ältere an.
    Denver erschrak vor der Kraft dieses Blickes und verschwand in der Menge.
    Phoenix merkte, dass sie fast überreagiert hätte. Die Worte hatten sie getroffen; ihre Jugend, ihr Leben war an ihr vorbeigezogen.
    Sie überquerte den Platz und bog in eine der Seitenstra-ßen ein. Überall standen in kleinen Gruppen fröhliche Menschen zusammen. Nach drei Kilometern führte sie die ansteigende Gasse zu der direkt in den Gletscher gebohrten Aufzugsröhre. Sie betrat eine der Plattformen, die sie langsam nach oben brachte.
    Nach zehn Minuten hatte Phoenix die etwa dreihundert Meter zwischen der Stadt Elian und der Oberfläche Jer Salems
überwunden. Noch ehe sie die Sicherheitstreppe betrat, die täglich freigeschaufelt werden musste, spürte sie den beißenden Nachtwind auf ihrem Gesicht und zog ihre Lederhandschuhe an. Sie stellte den Pelzkragen ihres Mantels auf und ging vorsichtig die vereisten Stufen hoch.
    Draußen knirschten die rutschfesten Sohlen ihrer Stiefel auf der dünnen Schneeschicht des Gletschers. Obwohl sie warm gekleidet und die Minustemperaturen gewohnt war, fror sie. Und die Erwählten sollten ihre Kleidung ablegen, ehe sie sich in die Bäuche der Xaxas begaben?’
    Um sie herum herrschte weiße Stille. Sie ging los, um nicht festzufrieren, und betrachtete die prächtigen Sterne Neorops und den riesigen, am Horizont grün leuchtenden Planeten Franzia.
    Vielleicht war San Francisco dort – so nah und so fern zugleich. Warum kam er nicht, um sie zu holen?
    Plötzlich hörte sie Schritte in ihrem Rücken. Als sie sich umdrehte, sah

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