Terra Mater
technischen Waffen, die einen anonymen Tod verbreiteten, und deren Gebrauch mit einem widerlichen Gestank nach verbranntem Fleisch einherging.
Die beiden Gefangenen verfolgten mit Entsetzen das Geschehen.
Marti stieß wie gewohnt einen markerschütternden Schrei aus und schwang drohend seinen Dolch, doch mit dem Herzen war er nicht dabei. Seit geraumer Zeit beschlich ihn eine dunkle Vorahnung. Ohne zu wissen warum, ruhte sein Blick immer wieder auf dem fetten Rücken von Emmar Saint-Gal. Trotzdem spielte er das Spiel weiter mit, zerriss die Lumpen eines der Mädchen und stach seinen Dolch tief in ihren bronzefarbenen Bauch. Er fing das warme Blut mit seinen geöffneten Händen auf und trank es, doch die früher empfundene Ekstase wollte sich nicht einstellen.
An der anschließenden Zerstückelung der Opfer nahm er nicht teil, und er fand auch keinen Gefallen an den Liebkosungen Annyts. Ihre Küsse konnten kein Begehren in ihm wecken.
Frierend und wie erstarrt lehnte er an der Wand und
schaute dem Treiben ein paar Minuten zu. Als sein Blick auf den Kopf eines der Opfer fiel, wandte er sich ab und ging wie ferngesteuert zu dem Deremat Emmar Saint-Gals.
Das Armaturenbrett sandte helle Lichtsignale aus. Ein seltsamer Impuls drängte Marti zu dieser länglichen schwarzen Maschine, eine Intuition, dass sie sich nicht zufällig in dieser Krypta befinde, dass sie etwas mit seinem Schicksal zu tun haben müsse. Er zuckte mit den Schultern: Auch wenn ich ein Mitglied der Untergrundbewegung Mashama bin, so bin ich doch noch nie auf den Gedanken gekommen, unseren schönen Planeten Syracusa zu verlassen.
»Ist das nicht ’ne tolle Kiste?«, sagte Emmar und riss den jungen Mann aus seinen Gedanken.
Wie meistens hatte der Cheftechniker nicht an der Orgie teilnehmen dürfen. Als sich Marti umdrehte, entdeckte er eine Gestalt im roten Kapuzenmantel. Daneben leuchteten die weißen Masken der Pritiv-Söldner, und er konnte die schwarzen Helme der Interlisten erkennen. Fast hätte er aus Angst die Kontrolle über seine Blase verloren. Die kühnen Krieger der Mashama stießen Entsetzensschreie aus. Aus den zurückgeschobenen Ärmeln der Pritiv-Söldner blitzten die Wurfgeschosse hervor. Einer packte Iphyt de Vangouw brutal bei ihren Haaren und trennte sie von ihrem Geliebten. Er schleuderte die beiden gegen eine Wand.
»Jemand hat uns verraten!«, sagte Marti. »Wir sind verloren.«
»Vielleicht nicht. Das Deremat …«, flüsterte Emmar.
Da öffnete sich die Einstiegsluke ganz von selbst, als hätte jemand eine Fernbedienung betätigt. Tatsächlich hatte Emmar auf einen winzigen Knopf in seinem Siegelring gedrückt.
»Steig ein!«, befahl er. »Mit den Füßen zuerst. Leg dich
hin, und drück auf den Transferhebel … den grünen Hebel …«
Marti gehorchte hastig. Er handelte, als sei er außer sich, wie im Traum, und er hatte das entsetzliche Gefühl, in einen Sarg zu steigen, das dritte Opfer der Zweiten Nacht zu sein … Metallische Vorsprünge kratzten ihm die Beine auf. Er legte den Kopf auf ein Luftkissen. Emmar verschloss die Luke mit einer präzisen Bewegung, ein sardonisches Lächeln im Gesicht.
Was für ein mieses Spiel spielst du da, Emmar? Du hast uns verraten, nicht wahr? Du bist der Einzige, der die Flügeltüren öffnen kann … Warum? Warum?
Mit von Tränen verschleiertem Blick konnte Marti gerade noch seine Gefährten erkennen. Sie standen aufgereiht an einer Wand der Krypta und zitterten wie Espenlaub. Nackt und verwundbar, vor ihnen die Pritiv-Söldner. Vage konnte er eine in Rot und Violett gekleidete Gestalt erkennen, einen Kardinal der Kirche des Kreuzes. Einen Fanatiker, der sich ein Vergnügen daraus machen würde, die ehrenvollen Mitglieder der Mashamabewegung vor ein Kirchentribunal zu zerren und sie zum Tod am Feuerkreuz verurteilen zu lassen … Und ihre einzige ruhmvolle Tat war, Sklavinnen von niederträchtigen Menschenhändlern zu kaufen und zu ermorden.
Schweren Herzens betätigte Marti den Schalthebel. Eine weißglühende Klinge durchbohrte seinen Schädel, dann desintegrierte sich sein Körper in Zeit und Raum.
Das war sein erster zellularer Transfer.
DRITTES KAPITEL
Verführen, das ist der Menschen Los,
Doch Liebe macht die Quarantäner groß.
Quarantänisches Sprichwort
Die Quarantäne war eine lange Periode räumlicher Absonderung, eine Zeit, während der die Anjorianer die Überläufer der verseuchten Gebiete einsperrten. Daher stammt wahrscheinlich das Wort
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