Terra Mater
gerichtet, spürten die Vögel die Gefahr. In dem einförmigen Grau tauchte ein weißer Fleck auf. Die Corvuren wussten, dass sie in wenigen
Augenblicken von den Todesstrahlen dahingerafft werden könnten. Die ersten Vögel ließen von ihrem Opfer ab und flogen mit heiserem Krächzen davon. Andere zögerten noch, doch als der glänzende Gleitflieger immer näher kam und eine erste Salve auf sie abgeschossen wurde, breitete sich Panik unter ihnen aus. In wildem Durcheinander flogen sie auf. Etwa ein Dutzend von ihnen stürzte, tödlich getroffen, zu Boden, neben den kleinen, im Sterben liegenden Jungen.
Jek öffnete langsam die Augen.
Er lag auf einem mit Stoff bespannten Brett. Als er sich aufrichten wollte, merkte er, dass er mit Bandagen von oben bis unten an die Unterlage fixiert war. Er spürte einen leichten Luftzug an den wenigen Stellen seines Körpers, die nicht verbunden waren. Seine Verletzungen schmerzten, als ob die Corvuren noch immer auf ihn einhacken würden.
Bin ich tot? Er konnte sich nicht erinnern, das Bewusstsein verloren zu haben. Doch seine Umgebung war ihm unbekannt. Er lag in einem großen Glaskegel, vielfarbige Sterne und ein diffuser Lichtstreifen zeichneten sich am Horizont eines dunklen Himmels ab.
Aus den Augenwinkeln nahm Jek in seinem gläsernen Kokon undeutliche Bewegungen wahr. Er vermutete, gleich Engel, Dämonen, Elfen, Trolle oder himmlische Geschöpfe auftauchen zu sehen. Doch die Gesichter, die er nun sah, hatten nichts mit seiner Vorstellung von den Bewohnern des Jenseits zu tun. Sie glichen einer Meute großer Ratten. Dann hörte er ein gedämpftes Brummen, welches das Brett, auf dem er lag, erzittern ließ. Seine Lider wurden schwer, und er fiel in einen unruhigen, von Albträumen geplagten Schlaf.
Die Wüstenratten gingen eine nach der anderen in den Isolationsraum hinunter und betrachteten den kleinen schlafenden Oberirdischen, die meisten von ihnen hatten noch nie einen gesunden Menschen aus der Nähe gesehen.
Vor ein paar Stunden hatten sie ihn in bedauernswertem Zustand aufgefunden; von den Corvuren fast zerfetzt. Selbst der Bord-Hexer hatte geglaubt, ihn nicht retten zu können. Er versorgte seine Wunden und unterzog ihn einer rituellen atomaren Behandlung – einer Zeremonie, bei der er sich mit seinem Patienten in den radioaktiven Schiffsbauch einschloss, mit den Atomen tanzte und die große nukleare Hexe, die Botschafterin von Hares, des verglühenden Gestirns, um Hilfe anflehte. Hares hatte sich gnädig gezeigt, der kleine Oberirdische schlief friedlich.
Die Wüstenratten bewunderten den kleinen Jungen: sein zartes Gesicht und sein seidiges Haar. Zwar reisten Menschen manchmal über den Astro-Hafen Glatin-Bats, aber die an der Beta-Zoomorphie erkrankten Einheimischen kamen nicht mit ihnen in Kontakt, da sich die Passagiere in abgeschotteten Transiträumen aufhielten.
Die in der Dämmerung heftiger werdenden Winde hatten den nuklearsensiblen Zellen mehr Energie geliefert und trieb die Motoren des Gleitfliegers jetzt zu Höchstleistungen an. Der Kapitänleutnant Dohon-le-Fil wollte um jeden Preis das Territorium der gefleckten Hyänen vor Einbruch der Nacht hinter sich lassen. Er musste bald einen Stopp einlegen, um die nuklearsensiblen Zellen abkühlen zu lassen, und er hatte nicht genügend Männer an Bord, um die Angriffe der riesigen Raubtiere abwehren zu können. Wenn die Aerotome im Flottenverband flogen, war das Risiko gering, doch sobald nur ein einziger Flieger unterwegs war, wurde die Besatzung von den Hyänen belagert.
Dohon-le-Fil und der Bord-Hexenmeister standen an der Reling am Bug des Luftschiffs und sahen besorgt, wie sich die Dämmerung über die Wüste senkte. Die Zipfel ihrer Turbane wehten wie Banner im Wind. In der Ferne blitzten Lichter auf.
»Diese miesen Hyänen!«, schimpfte der Kapitänleutnant. »Sie verfolgen uns. Schlimmer noch, sie erwarten uns.«
Er musste schreien, um das Brüllen der Motoren und das Heulen des Fahrtwindes zu übertönen.
»Abhängen können wir sie sowieso nicht!«, schrie der Hexer. »Wenn wir nicht in spätestens einer Stunde vor Anker gehen, werden die atomaren Zellen zerstört.«
Die klaren, tief liegenden Augen des Kapitänleutnants funkelten zornig. »Godovan muss verrückt geworden sein. Zuerst will er den kleinen Oberirdischen nicht an Bord nehmen, und dann befiehlt er uns, umzukehren und ihn aufzulesen …«
»Du darfst den Trar unseres Clans nicht einen Verrückten nennen!«,
Weitere Kostenlose Bücher