Terra Mater
unterbrach ihn der Hexenmeister scharf. »Der kleine Oberirdische ist dem letzten Aerotom unserer Flotte hinterhergelaufen, und die Mannschaft hat ihn den Namen des Dogen Papironda rufen hören und daraufhin sofort Godovan benachrichtigt.«
»Und warum hat er uns dann erst zwei Stunden später zurückgeschickt?«
»Vielleicht gab es ein Kommunikationsproblem …«
»Mit dem Ergebnis, dass wir jetzt bis zum Hals in der Scheiße stecken. Ist das Leben eines einzigen Oberirdischen es etwa wert, die gesamte Mannschaft zu opfern?«
»Godovan hat wahrscheinlich seine Gründe gehabt, und deine Mannschaft lebt noch, Dohon-le-Fil!«, ermahnte der Hexenmeister den Kommandanten des Luftschiffs mit
schneidender Stimme und gesträubtem Fell. Seine Barthaare waren steif wie Stacheln. Das rührte daher, weil er sich oft in radioaktiven Räumen aufhielt, und deshalb hatte man ihm den liebevollen Spitznamen »Todeskuss« gegeben, eine Bezeichnung, die sowohl auf seine stacheligen Küsse hinwies als auch auf seine Fähigkeiten als Heiler, Todkranke wieder zum Leben zu erwecken.
Jetzt ließ er mit einer Hand die Reling los und klopfte auf den Griff seiner Todeswelle, der Waffe, die in seinem Gürtel steckte.
»Noch haben die Hyänen uns nicht zerfleischt. Wir sind gerüstet. Sie sollten sich vor uns hüten …«
»Vielleicht können wir sie ein paar Stunden in Schach halten … Aber die Mannschaft ist völlig erschöpft, Todeskuss. Dann wird sie in ihrer Wachsamkeit nachlassen. Wir hätten ein paar Quarantäner an Bord lassen sollen. Dann hätten wir sie im Bedarfsfall …«
Ein lautes Knirschen unterbrach ihn. Beide hoben den Kopf und musterten besorgt das große Zellular-Segel. Einige nuklearsensible Kollektoren – sie sahen wie geöffnete Blütenblätter aus – färbten sich rötlich. Das war kein gutes Zeichen. Mit Hereinbrechen der Nacht hatte sich der Wind gelegt, und die mittlerweile überhitzten Kollektoren drohten jeden Augenblick zu explodieren.
»Wir haben keine andere Wahl mehr«, sagte Todeskuss.
Dohon-le-Fil zuckte mit den Schultern. In diesem Moment hätte der Kapitänleutnant Godovan, dem Traren der Wüstenratten, liebend gern seinen Dolch mitten ins Herz gestoßen. Er unterdrückte seinen aufsteigenden Zorn und ging, eine Hand noch immer an der Reling, in seine Kommandobrücke, eine transparente, über dem Bug stehende Kugel.
Zwei Minuten später wurden die Stabilisationsanker ausgefahren, und das Aerotom kam vibrierend und lärmend zum Stillstand, bis nach einigen Minuten auch die Rotorblätter aufhörten, sich zu drehen.
Eine bedrohliche Stille senkte sich über die Wüste.
Erst als die Nacht gleich einem schwarzen Leichentuch über der Ödnis lag, griffen die Hyänen an. Keiner der Wachposten entdeckte sie vorher, weil sie sich listig immer außerhalb der ständig über die Wüste streifenden Lichtkegel bewegten. So schlichen sie näher, mit gesenkten Köpfen und halb geschlossenen Lidern, damit ihre phosphoreszierenden Augen keine Reflexe zurückwarfen.
Die Mannschaft war derart angespannt, dass sie fast nichts gegessen hatte. Nackte Angst beherrschte sie. Selbst im Schutz der Flotte war eine Landung im Territorium der gefleckten Hyänen äußerst riskant. Die Furcht der Wüstenratten wurde durch die schrecklichen Erzählungen über diese Raubtiere geschürt. Die Bewohner der verseuchten Zone hielten sie für Dämonen in Tiergestalt; die Geister des Bösen, von den dreißig Himmlischen Furien geschaffen. Einige schworen gesehen zu haben, wie sie Feuer spien, andere sagten, ihre Exkremente würden wie glühende Kohle leuchten, und wieder andere behaupteten, ihr Urin habe die Konsistenz der Fusions-Lava.
Die Zeigefinger der Männer spielten nervös mit den Abzugsbügeln ihrer Todeswellen. Das geringste Geräusch schreckte sie auf und gewann übermäßige Bedeutung in der bedrückenden nächtlichen Stille.
Plötzlich tauchte eine dunkle Gestalt im Lichtstrahl eines Scheinwerfers am Heck des Gleitfliegers auf.
»Scheiße! Da sind sie!«, schrie ein Mann.
Die Todeswellen spien Blitze aus, verfehlten aber ihre Ziele und entzündeten nur trockenes Gras. Eine Hyäne setzte zu einem unglaublichen Sprung an und landete unter dem Kiel, mit Klauen und Reißzähnen um einen Anker gekrallt.
»Anstatt in eure Hosen zu scheißen, solltet ihr besser zielen!«, schimpfte Dohon-le-Fil von der Kommandobrücke und wandte sich wütend an den neben ihm stehenden Hexenmeister. »Was hast du hier zu
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