Terra Mater
ich den Status eines freien Bürgers und somit das Recht auf eine Einzelkabine. Oh, das ist durchaus keine luxuriöse Suite, sondern eher eine Rumpelkammer!«
»Weswegen hat man Sie verurteilt?«
»Weil ich angeblich ketzerische und blasphemische Reden geführt haben soll. Was ich nie tat. Die Kreuzler haben mich in Abwesenheit verurteilt, weil ich ein Freund Sri Alexus, einem der letzten Meister der Inddikischen Wissenschaft, war. Das ist die Wahrheit.«
»Sri Alexu? Von dem habe ich noch nie gehört.«
»Und von den Kriegern der Stille? Oder Naïa Phykit?«
Zwar hörte Marti diesen Namen zum ersten Mal, doch er weckte ein lebhaftes Interesse in ihm. Er klang, wie ein vertrauter Ruf aus der Ferne, wie ein schicksalhafter Scheideweg. Er wurde von einer Art mentalem Schwindel ergriffen, einer Erregung, die aus seinem tiefsten Inneren emporzusteigen schien.
»Nein. Natürlich können Sie Naïa nicht kennen«, sprach Robin de Phart weiter, »denn Eltern und Lehrer haben sich strikt an die Instruktionen des Seneschalls Harkot gehalten … Sri Alexu hatte eine Tochter, Aphykit, oder Naïa Phykit, wie sie vom Volk genannt wird. Während der Schlacht von Houhatte hielt sie sich im Kloster der Ritter der Absolution auf. Ihr Vater hatte sie zum Mahdi Seqoram geschickt, dem Großmeister der Ritterschaft und der Inddikischen Wissenschaft. Die Inquisitoren haben den gesamten Planeten Selp Dik abgesucht, ohne jedoch eine Spur von ihr zu finden.«
»Vielleicht ist sie tot …«
Kaum hatte Marti diese Wort ausgesprochen, war er vom Gegenteil überzeugt. Nicht nur davon, dass sie lebte, sondern dass er sich auf die Suche nach ihr machen müsse. Eine seltsame Kraft war in ihm erwacht, gleich einem plötzlich aufkommenden Wind, von dem niemand wusste, woher er kam.
»Ich bin mir sicher, dass sie den Brand des Klosters überlebt hat und in einer anderen Welt lebt«, erklärte Robin de Phart.
»In welcher Welt?«
»Darüber möchte ich jetzt noch nicht sprechen. Doch fassen Sie das bitte nicht als Beleidigung auf.«
Mit diesen Worten stand der alte Syracuser auf und sah seinen jungen Gefährten lange an, ehe er sich umdrehte und ging. Er trug eine weit geschnittene weiße Jacke und eine schwarze Pumphose wie die Skojs, und Marti fragte sich, ob der Sieur de Phart sich jemals daran hatte gewöhnen können, ohne Colancor, diese den Syracusern unentbehrliche zweite Haut, zu leben.
Dann drehte er sich noch einmal um und sagte: »Junger Freund, auf diese Frage werden Sie nur eine Antwort bekommen, sollten Sie Ihre Reise vollenden.«
Marti ging langsam durch den Luftschacht. In die Metallwände integrierte Sicherheitsroboter streckten manchmal ihre Greifarme nach ihm aus, zogen sie aber sofort wieder zurück, sobald er ihnen seinen Wellen aussendenden Pass hinhielt.
Nach Dienstschluss hatte er plötzlich den unwiderstehlichen Drang verspürt, die Sauerstoffzentrale, einen gigantischen Block, mit dem alle Raumschiffe durch die Kanalisation verbunden waren, aufzusuchen. Weil er jetzt seiner Nebenbeschäftigung nicht mehr nachgehen musste, hatte er viel Zeit.
Als er die Metallwand der Zentrale erreicht hatte, schraubte er das Gitter eines Lüftungsschachts ab und schob sich in das Rohr. Obwohl er nie einen Fuß in die Zentrale gesetzt hatte, kannte er ihren Bauplan bis in kleinste Einzelheiten.
Er hatte das seltsame Gefühl, jemand anderer handele für ihn, ein Unbekannter, ein Mann, der eine Mission zu erfüllen hatte und durch nichts aufzuhalten war. Was für eine Mission das war, wusste Marti nicht, nur dass er bis ans Ende dieses Schachts kriechen musste und dann einen zweiten hoch, bis ins Zentrum des großen Generators.
Die Citadime wussten nichts von diesem Zugang. Denn alle Techniker, die dieses System bei der Gründung der Stadt installiert hatten, waren auf unerklärliche Weise vor zehn Jahren verschwunden. Aber die Zentrale wurde ständig überwacht. Doch in diesem vergessenen Rohr traf Marti nur auf die Greifarme, die sofort ihre Tätigkeit einstellten, wenn die Wellen seines Passes auf sie trafen.
Bei jeder Bewegung wirbelte Marti Unmengen von Staub auf. Der Strahl seiner Laserlampe erfasste seltsame Gebilde, klebrige, wie Algen aussehende Fäden, die im Luftzug hin und her schwangen. Die Wände waren mit einer Art Humus bedeckt, einer organischen, in Zersetzung befindlicher Materie. An manchen Stellen war das Fadengewirr so dicht, dass er es zerreißen musste. Säuerlicher Schweiß perlte ihm auf der Stirn
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