Terror von Rechts
Hafenstädte zu nennen, die mit anderen Städten und Ländern Handel trieben, in denen Menschen aus anderen Ländern ankamen und neue Einflüsse brachten. Menschen ziehen aber nicht nur aus Spaß und wegen der Suche nach Abwechslung und der Sehnsucht nach Kultur in Städte, auch Bildung, Arbeit oder Reichtum stellen wichtige Gründe dar – gleichzeitig fürchten sich viele aber auch vor den urbanen Zentren, vor Kriminalität und fremden Menschen. Nicht alle Dörfler sind stockkonservativ, nicht alle Städter tolerante Weltenbürger. Law-and-Order-Politiker, wie Ronald Schill in Hamburg mit fast 20 Prozent gezeigt hat, können in den Städten große Wahlerfolge erreichen. Ihre Versprechen nach geordneten Verhältnissen in der Stadt kommen bei Teilen der Bevölkerung gut an. Die Zahl der Schreckensgeschichten von brandschatzenden Chaoten aus den Städten sind Legion, die Vororte gruppieren sich um die Städte als Rückzugsgebiet für Leute, die zwar in Ballungsräumen leben wollen oder müssen, gleichzeitig aber die Sicherheit und Ordnung von Dörfern benötigen. Sie sind ein Abbild des Landes im städtischen Umfeld, »Disney-World Suburbia«, wie es die Journalistin Petra Steinberger von der
Süddeutschen Zeitung
formulierte. Und der kleine Garten dient als Ersatz für die ursprüngliche Natur.
Mittlerweile sind solche Phänomene nicht mehr auf die Vororte begrenzt. Familien, die sich größere Wohnungen und steigende Preise leisten können, bleiben in den Szenevierteln wohnen. Dies führt zu neuen Konflikten, da nun zunehmend die Bedürfnisse der Eltern mit denen der Pistengänger kollidieren. Mangelnde Toleranz, identitäres Gehabe und Tellerrand-Mentalität bei allen Beteiligten verstärken Auseinandersetzungen, deren Niveau wiederum an der Idee der Stadt zweifeln lässt. Dann werden komplexe Vorgänge personalisiert, es wird ein Konflikt zwischen zugezogenen Yuppies und vermeintlich Alteingesessenen konstruiert – ein Einfallstor für reaktionäre Ideen. Zudem wird gern übersehen, dass auch die Pioniere der Subkulturen die damaligen Alteingesessenen nicht nach ihrer Meinung gefragt hatten, als sie in die günstigen, weil heruntergekommenen Innenstadtviertel zogen und so die Voraussetzungen für den heutigen Aufschwung schufen. Im Gegensatz zu heute wurde damals allerdings niemand verdrängt. Die Wut darüber sollte aber keine neuen Ausgrenzungsmechanismen in Gang setzen. Denn die Stadt ist für alle da – so ein vollkommen zutreffender Slogan von Anti-Gentrifizierungsinitiativen. Alle schließt aber auch den zugezogenen Gutverdiener aus dem Schwabenland ein und nicht nur bestimmte Leute.
Städte verändern sich. Ständig. Wer das nicht ertragen kann oder nicht mit sehr unterschiedlichen Menschen in einem Viertel leben will, sollte nicht in der Stadt wohnen. Dörfer bleiben über Jahrzehnte fast unverändert in ihrer Struktur. In den urbanen Zentren kommen und gehen Menschen andauernd, das Beständige ist der Wechsel, das Leben ist überraschend und oft unvorhersehbar durch die vielen unterschiedlichen Charaktere, welche auf engem Raum zusammentreffen.
In einigen Stadtteilen deutscher Großstädte entstehen durch das Aufeinandertreffen sehr unterschiedlicher Menschen aus verschiedenen Kulturen neue Moden, Stile und Trends, die dann von Trendscouts, Medien und Werbung aufgegriffen und vermarktet werden. Und irgendwann gehören dann auch »Iros« in die Dorfdisco – 20 Jahre zuvor wurden Punks mit einer solchen Frisur dort noch herausgeprügelt. Die rechtsextreme Bewegung hat ihre Hochburgen vor allem auf dem Land und in Kleinstädten, die Probleme im ländlichen Raum sind kein Naturereignis, sondern auch die Kehrseite einer Metropolenpolitik beziehungsweise der Orientierung an regionalen Wachstumskernen. Die Verfassungsnorm der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet (Artikel 72) spielt in der vielgerühmten Realpolitik oft keine Rolle. Vielmehr werden wachsende Ungleichheiten in Kauf genommen. Landkreise, die massiv an Bevölkerung verlieren, werden noch mit anderen Kreisen zu größeren Verwaltungseinheiten fusioniert, um Geld zu sparen – auf Kosten der Partizipationsmöglichkeiten der Bürger. Das demokratische System zieht sich hier immer weiter zurück. Nicht weniger, sondern mehr muss in solche Regionen investiert werden, um beispielsweise für Familien Anreize zu schaffen, in die jeweilige Region zu ziehen. Aber was soll man dort, wenn kein öffentliches Leben stattfindet,
Weitere Kostenlose Bücher