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Terror von Rechts

Terror von Rechts

Titel: Terror von Rechts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Gensing
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Weltkrieges von Italien aus antisemitische und antiamerikanische Propaganda verbreitete und sich auch danach nie vom Faschismus distanzierte. Die Casa Pound ist ein rechtsextremes Kulturzentrum in einem römischen Viertel, in dem viele Migranten leben. Neofaschisten besetzten im Jahr 2003 das Gebäude in der Via Napoleone III. und bauten es zum wichtigsten Knotenpunkt ihres Netzes aus. Zudem werden in einem weiteren Gebäude Konzerte organisiert, an denen auch des Öfteren deutsche Rechtsextreme teilgenommen haben. Das Konzept der Casa Pound, also die Verschmelzung von Politik und Kultur, sei bislang meist der Linken zugeschrieben worden, schrieb der Hamburger Historiker Volker Weiß in der
Frankfurter Rundschau
. Das rechtsextreme Zentrum werde von der Stadtverwaltung geduldet und der römischen Polizei im Zweifelsfall beschützt. Mittlerweile habe die Casa Pound in der Nachbarschaft deutliche Spuren hinterlassen: »Graffiti und Plakate, auf den ersten Blick von den üblichen Hinterlassenschaften großstädtischer Subkulturen wenig unterschieden, haben in dieser Gegend fast ausschließlich einen rechtsradikalen Hintergrund.« 32
    Von dem Attentäter von Florenz, Gianluca Casseri, distanzierte sich die Casa-Pound-Bewegung nun schnell. Doch dies scheint wenig glaubwürdig. Der deutsche Blogger Kai Tippmann, der in Italien lebt, schreibt, Casseri sei ein intellektueller Ideologe der »Herrenrasse« gewesen, ein Kenner der neofaschistischen Bewegungen und Analytiker ihrer Gründungsmythen. Als großer Comic-Liebhaber habe Casseri im Casa Pound wiederholt über seine Lieblingscharaktere Tex Willer und Tim (aus
Tim & Struppi
) referiert. In den »Protokollen des Weisen von Alessandria« legte der Attentäter laut Tippmann die antisemitische Theorie der jüdischen Weltverschwörung aus den »Protokollen der Weisen von Zion« neu auf und ergänzte es mit den extremsten Anwandlungen der Holocaust-Leugner. Casseri verband demnach eine Mischung aus völkischer Esoterik, schwarzer Magie und Antisemitismus, wie sie aus rechtsextremen Kreisen bekannt ist. In seinem Buch
La Chiave del Caos
, das auch in Deutschland angeboten wird, entwirft Casseri eine Welt, in der die nordischen, germanischen »Rassen« ständig vom »Chaos« der Außenwelt bedroht seien – ähnlich wie der rechtsextreme Massenmörder Anders Behring Breivik in seinem »Manifest«. 33
    Die Strategien der extremen Rechten werden international ausgetauscht. Das Konzept der Neuen Rechten stammt aus Frankreich – zudem lassen sich deutsche Rechtsextreme von ihren italienischen Sinnesgenossen inspirieren. Auch in Berlin sind Ansätze der Casa-Pound-Strategie zu erkennen, allerdings können sich die Neonazis hier kaum als hilfsbereite Nachbarn präsentieren, sondern fallen durch außerordentliche Aggressivität auf. Geschäfte werden eröffnet, Demonstrationen organisiert und politische Gegner offensiv eingeschüchtert – bisweilen direkt vor den Augen der Polizei. »National befreite Zonen« sind in den Städten allerdings nicht zu finden, vereinzelte »Angstzonen« im Umkreis von Kneipen oder rechtsextremen Treffpunkten hingegen schon. Hinter »national befreiten Zonen« steht die Idee, in bestimmten Teilen eines Dorfes, einer Stadt oder einer ganzen Region die staatliche Macht so weit zurückzudrängen, dass die örtlichen Rechtsextremisten selbst sanktionsfähig werden. Der Nationaldemokratische Hochschul-Bund (NHB) brachte im Jahr 1991 den Begriff in einem Strategiepapier ein, die Jungen Nationaldemokraten (JN) propagieren ihn seitdem weiter. Angeblich stammt dieses Konzept aus den Guerilla-Bewegungen Südamerikas. In Deutschland soll für das Konzept ein ehemaliger NPD-Funktionär mitverantwortlich sein, der heute in anderen rechtsradikalen Parteien aktiv ist.
    Allerdings gibt es auch strukturelle Hinweise auf einen ganz anderen Ursprung. So waren es in Städten kriminelle Milieus, mafiöse Strukturen und Gangs, die so vorgingen – die Revierkämpfe zwischen Banden zeigen dies. Dabei ging es um wirtschaftlichen, aber auch politischen Einfluss, ebenso um kulturelle Hegemonie. Das Konzept der »national befreiten Zonen« – der Begriff wurde zum Unwort des Jahres 2000 gekürt – lässt sich gut aufs Land übertragen: So werden in einigen Regionen öffentlich kaum andere Milieus sichtbar, die sich gegen das aggressive rechtsextreme Hegemoniestreben auflehnen können, die Infrastruktur ist übersichtlich, die Kontrolle über wenige öffentliche Punkte reicht

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