Terror von Rechts
SS-Totenkopfring und dem Ehrendolch dokumentiert. Toten- und Ahnenkult sowie pseudoreligiöse Rituale in sogenannten Weihestätten wie der Wewelsburg bei Paderborn oder der ehemaligen Stiftskirche in Quedlinburg dienten der Festigung eines unauflöslichen Gemeinschaftssinns. Ähnlich verhält es sich heute mit den martialischen Fackelmärschen von Kameradschaften.
Mitte der siebziger Jahre tauchten schwarze Blöcke dann auch auf Demonstrationen der extremen Rechten auf. Manfred Roeder nahm die heutigen schwarzen Blöcke vorweg, als am 17. Juni 1975 nach Angaben des Verfassungsschutzberichtes für dieses Jahr in Bonn etwa 3 500 Angehörige der NPD, der DVU, der Wiking-Jugend, des Stahlhelms und neonazistischer Gruppen mit Fahnen, Transparenten und Sprechchören für die Wiedervereinigung demonstrierten. Unter den Teilnehmern trat eine Gruppe von etwa 120 einheitlich schwarz gekleideten jungen Leuten mit schwarz-weiß-roten Fahnen hervor, die dem neonazistischen Kreis um Roeder zuzuordnen war.
Piercings, Hatecore-Shirts und Kapuzenpullover waren damals allerdings bei den jungen Neonazis noch nicht angesagt – es fehlte ein kultureller Kontext, der heute vorhanden ist. Musikalisch wirkten die Rechtsextremen mit ihren völkischen Gesängen damals noch wenig anziehend. Mittlerweile ist aber eine ganze rechtsextreme Kulturwelt erwachsen. Der Bewegung muss eine gewisse Dynamik zugestanden werden: neue Aktionsformen und Stile werden erprobt, möglicherweise verworfen oder integriert, daraus erwachsen neue Szenen. Nur das kreative Potential fehlt, immer wieder müssen die Rechtsextremen woanders kopieren, um noch irgendwie als zeitgemäß zu gelten. Mittlerweile gibt es sogar rechtsextremen Rap, und in Schweden setzten Neonazis dem bizarren Treiben die Krone auf und versuchten sich an einer Reggae-Adaption. Das wirkt ebenso obskur, als würden sich deutsche Neonazis an jüdischer Klezmer-Musik versuchen.
In Italien ist die extreme Rechte, was die Kultur angeht, der deutschen weit voraus. So verfügen die Rechtsextremen in den Metropolen über Immobilien, mit deren Hilfe sie eine kulturelle Wirkung entfalten. Nicht umsonst schauen die deutschen Rechtsextremen immer wieder interessiert auf die Konzepte aus Italien.
Es waren Neonazis in Nordsachsen, die im Jahr 2010 einen Vortrag über die Casa Pound veranstalteten – in einem neugegründeten »Schulungszentrum für die nationale Jugend«, das nach Angaben der Partei von dem sächsischen NPD-Landtagsabgeordneten Jürgen Gansel gefördert wird. Im Freistaat sind die Neonazi-Strukturen so verfestigt und die Bewegung bereits so weit gewachsen, dass rechtsextreme Vordenker hier professionelle Denkfabriken aufbauen wollen – in anderen Bundesländern schaffen es NPD-Kreisverbände hingegen kaum, regelmäßig einen Stammtisch zu organisieren. 28
Maßgeblich am Aufbau des Schulungszentrums beteiligt war Maik Scheffler, heute NPD-Vize in Sachsen. Scheffler soll im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen NSU-Unterstützernetzwerk auch ins Visier der Ermittler geraten sein, wie Medien übereinstimmend berichteten. Scheffler erklärte in Delitzsch anlässlich des Vortrags über die Casa Pound, Nordsachsen werde mit dem neuen Schulungszentrum »zu einer Muster- und Modellregion, die den politischen Widerstand gegen die Volksverräter von unten nach oben wachsen lässt«. 29
Auch im »Bildungswerk für Heimat und nationale Identität« der NPD war die Casa Pound bereits Thema. Dort referierte Thomas Sattelberg, der als Rädelsführer der verbotenen Schlägertruppe Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) bereits verurteilt wurde, im Mai 2011 über das Thema »Kulturrevolution von rechts? Das Beispiel Casa Pound in Rom«. 30
Neonazis lobten im Internet das Interesse der NPD an dem Konzept aus Italien: Dies sei »der richtige Ansatz, den gerade eine NPD benötigt. Hinsichtlich der Tatsache, dass es vor allem der Jungwähler ist, der der NPD die wenigen Wahlerfolge ermöglicht hat, sollte auch die Arbeit und Struktur der Partei diesen Ansprüchen gerecht werden«. 31
Das Interessante an dem Bildungswerk der NPD ist, ähnlich wie bei der Casa Pound, dass hier verschiedene Strömungen der extremen Rechten zusammenkommen, um eine Verbindung von Politik und Kultur voranzutreiben. In den Seminaren diskutieren die Rechtsextremen Strategien, die Konzepte aus Italien spielen dabei eine wichtige Rolle.
Der Name Casa Pound geht auf den Schriftsteller Ezra Pound zurück, der während des Zweiten
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