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Terror von Rechts

Terror von Rechts

Titel: Terror von Rechts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Gensing
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von mehr als 20 Prozent, in einzelnen Gemeinden holen die Rechtsextremen sogar mehr als 30 Prozent. Dies weist auf ein weiteres wichtiges Merkmal dieser Ideologie hin, der Rechtsextremismus muss auch als antistädtisch definiert werden. Die Großstadt dient Rechtsextremen als ein zentrales Feindbild, das Land wird hingegen stets idealisiert – hier findet sich die Volksgemeinschaft im Kleinen. In NPD-Papieren ist gern von Kulturlandschaften und familiären Bauernbetrieben die Rede. Und der NPD-Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel schrieb über die »multiethnischen« Metropolen: »Schon im 20. Jahrhundert haben Nationalisten bei Wahlen auf dem Land stets ihre besten Ergebnisse erzielt, weil Menschen, die in intakte Sozial-, Kultur- und Traditionsverhältnisse hineingeboren werden, immer eine Ader für das Natürliche und Gewachsene, also das Nationale, haben. […] Die Globalisten wollen den identitätskastrierten, wurzellosen und gemeinschaftsunfähigen Konsumbürger, wie er gerade in multiethnischen Großstädten gedeiht. Dörfer und Kleinstädte könnten zum Kristallisationspunkt eines fast erd- und bluthaften Widerstands werden.« 27
    Im Weltbild der NPD »gedeihen« Menschen auf einem gesunden Boden – und dies im Dorf, nicht in der Großstadt. Das Bild der Stadt war bereits ein Feindbild der NS-Mythen, auch die Juden waren zumeist im urbanen Raum verortet: als hinterlistige Kaufleute und raffende Spekulanten beispielsweise. Neonazis rufen in aktuellen Strategiepapieren dazu auf, die Städte vom Land aus zu erobern. Auch die Rechtsterroristen der NSU suchten ihre Opfer überwiegend in westdeutschen Großstädten, in denen ein vermeintlicher Multikulti-Wahn herrsche.
    Antistädtische Einstellungen sind aber bei weitem kein Alleinstellungsmerkmal für überzeugte Rechtsextremisten, es sei jedem empfohlen, sich am Sonnabend zur Hauptfernsehzeit einen Heimatfilm in einem der großen TV-Sender anzuschauen. Der Plot gleicht sich zumeist frappierend: Das Ganze spielt in einer heilen und natürlichen Dorfidylle mit glücklichen, traditionsbewussten und in sich ruhenden Menschen. Dann taucht das Problem, die Herausforderung auf, eine Veränderung beziehungsweise Bedrohung von außen. Oft kommt diese in Person eines skrupellosen Spekulanten oder eines verlorenen Sohnes daher, der in der Stadt verdorben wurde und nun als Erbe oder gewissenloser Geschäftsmann in sein Heimatdorf zurückkehrt. Die ehrlichen und unverdorbenen Dörfler setzen sich tugendhaft und gewitzt, aber stets fair gegen die Eindringlinge zur Wehr – und siegen. Immer. Die heile und vor allem unveränderte Welt bleibt bestehen. Der verlorene Sohn lernt seine Lektion und verliebt sich in die unscheinbare biedere Dorfbraut, mit der er schon in der Kindheit gespielt hatte. »Echte« Städter verlassen hingegen das Dorf nach ihrer Niederlage wieder und sind für immer verloren. Fazit: Alles Schlechte kommt aus der Stadt, das Leben auf dem Land ist ehrlich und gut. Ein simples Schwarzweißdenken – getarnt hinter den leuchtenden Farben von Alpenpanoramen und frisch gestrichenen Fachwerkhäusern.
    Solche Vorstellungen von »ursprünglichen« Zuständen sind weitverbreitet, diese Filme und deren immense Einschaltquoten bei fast immer gleicher Handlung belegen eine antimoderne Sehnsucht – auch andere Trends wie der Mittelalterkult oder die Esoterik weisen daraufhin. All dies kann (!) rechtsextreme Einstellungen begünstigen – allerdings ist es ein weiter Weg, bis aus Einstellungen auch Handlungen werden. Denn auch in Westdeutschland hegen und pflegen Studien zufolge 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild – allerdings wählen diese zumeist keine rechtsextremen Parteien, sondern Union oder SPD, Sarrazin lässt grüßen, oder sie wählen gar nicht.
    Große Städte präsentieren sich Besuchern zumeist unübersichtlich, wirken unkontrollierbar und damit möglicherweise auch bedrohlich, zumindest für Menschen, die nach Sicherheit und gewohnten Abläufen streben. Stadtluft verspricht aber oft auch Freiheit. Gerade das macht ihren Reiz aus. Stadtplaner setzen zunehmend auf »weiche Standortfaktoren« – Vielfalt und Subkulturen als Standortvorteil. Wirtschaftsinstitute legen ganze Studien über die Vielfalt in Städten vor, um Fachkräften einen Zuzug schmackhaft zu machen. Städte können als Ausgangspunkt der Globalisierung gesehen werden, sowohl der kulturellen als auch der wirtschaftlichen. Hier sind besonders die

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