Terror von Rechts
weil Schulen, Bibliotheken, Theater, Kinos und alles andere, was das Leben kulturell lebenswerter macht, schlicht fehlen? Was soll aus Ostvorpommern werden? Nimmt man es in Kauf, dass dort ganze Landstriche veröden? Welche Perspektive haben die Jüngeren dort? Welche die Älteren? Solche Fragen gehören nicht in Kreistage, sondern in Landtage oder in den Bundestag, um den Trend nicht noch zu verstärken, sondern um diesen umzudrehen, ihm entgegenzusteuern. Im April 2012 begann die Bundesregierung immerhin, dieses Thema anzugehen, lud zu einem Gipfel, um eine Strategie zur Bevölkerungsentwicklung zu erarbeiten. Dies ist wichtig, auch und gerade, weil die rechtsextreme Bewegung in einem demokratischen Vakuum bestens gedeiht. Die NPD kann sich leicht als Kümmerer-Partei aufspielen, wenn demokratische Parteien praktisch nicht existent sind, wenn die Jüngeren und besser Ausgebildeten nur noch darüber nachdenken, wohin sie am besten abhauen. Wer die Demokratie unter diesen Umständen aufbauen will – denn um nichts anderes geht es in einigen Regionen –, darf diese nicht auf den Parlamentarismus und die Parteien reduzieren. Kulturell besonders beliebte Viertel und Städte in Deutschland, die vor Vitalität und Kreativität nur so strotzen, sind nicht so spannend geworden, weil hier Stadtplaner oder Parteien in den Kommunalparlamenten so ausgefuchste Arbeit leisteten, sondern weil sich hier unterschiedliche Menschen sammeln, die das öffentliche Leben mitgestalten – und eine Mitbestimmung einfordern oder sie sich verschaffen. Teile Ostvorpommerns gelten hingegen nicht unbedingt als kulturell besonders spannend, denn hier liegt das öffentliche Leben oft brach – oder wird von Rechtsextremen mitbestimmt.
Allerdings hatte es für den »Nationalen Widerstand« zunächst auch konkrete Nachteile, vor allem auf das subkulturelle Milieu in der Provinz zurückgreifen zu müssen, besonders, was die kulturelle Ausstattung dieser Bewegung anging. So legen die ersten Gehversuche deutscher Rechtsrock-Bands aus den achtziger Jahren Zeugnis von der kulturellen Armseligkeit der damaligen Szene ab – sie brillierten durch unfreiwillige Komik; dennoch waren sie der Auftakt einer Erfolgsgeschichte des deutschen Rechtsrocks, anfangs belächelt, heute ein Millionengeschäft. »Deutsch« ist an dieser Musik eigentlich nichts, dennoch erwuchs aus den stümperhaften Songs und den albernen Schüttelreimen der Soundtrack einer neuen Bewegung.
Fast alle im Rechtsextremismus verbreiteten Stile, Moden und Aktionsformen wurden anderswo geklaut und inhaltlich neu besetzt. Rock’n’ Roll galt bei wenig fortschrittlichen Menschen lange als Teufelszeug und »Negermusik«, die Skinhead-Mode stammt aus Jamaika und kam über England auf den Kontinent. Die ersten Skinheads waren keine Rassisten und hatten nichts mit »White Pride« am Hut, ihre Musik war der jamaikanische Ska, der sich mit englischer Musik zu neuen Stilen weiterentwickelte.
Weniger erfreulich waren die rassistischen Auswüchse der Skinhead-Kultur, welche in Deutschland mittlerweile als überholt gilt, obwohl der glatzköpfige Schläger mit 32-Loch-Doc-Martens-Stiefeln weiterhin gern als Mottobild in den Medien benutzt wird.
Dabei sorgte eine neue rechtsextreme Aktionsform in den vergangenen Jahren für Aufsehen: die Autonomen Nationalisten, die in ihrem Auftreten von linksradikalen Autonomen abgekupfert haben. Zunächst nur in (einst) linken Hochburgen wie Berlin, Hamburg, Frankfurt und Göttingen bekannt, ist dieser Stil inzwischen auch bei Neonazis in Vorpommern angekommen.
Outfits, Symbole und Parolen anderer Subkulturen wurden kopiert, übernommen und uminterpretiert. Kompatibel erscheint besonders ehemals linke Kampf- und Widerstandsrhetorik und deren Symbolik – hier sei zuvorderst das »Palituch« (Palästinensertuch) angeführt, welches die antizionistische und antisemitische Ausrichtung der Rechtsextremisten demonstrieren soll. Der Stil der Autonomen Nationalisten bietet viele Vorteile: funktional auf Demonstrationen und unauffällig im Alltag, dazu modisch anpassungs- und gesellschaftlich anschlussfähig, wie das Beispiel des Palästinensertuchs zeigt, das viele als vermeintlich links betrachten.
Schwarze Uniformen und schwarze Blöcke sind ohnehin nicht neu in der extremen Rechten: Die SS setzte in bewusster Anlehnung an mittelalterliche Ritterorden auf das Ideal eines elitären Führungsordens. Dies wurde durch mythologisch überhöhte Symbole wie dem
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