Terror von Rechts
Neonazi-Basis kann die NPD nicht verzichten. Angefeindet wurde Scheffler jedoch aus der Kameradschaftsszene, weil er sich zu sehr an den bürgerlichen Kurs der NPD anpasse. Die Abkürzung SSS im Zusammenhang mit der NPD und den Freien Kräften steht mittlerweile für »Sächsische Schlammschlacht«.
Lange Jahre war Apfel bei den Kameradschaften angesehen, hatte er doch als JN-Chef selbst einen radikalen Kurs der Mutterpartei gefordert und noch offener gesprochen. In einer Rede im Jahr 1998 sagte er: »Wir, der Nationale Widerstand, sind die einzige, wirkliche Weltanschauungsbewegung in der bundesdeutschen Parteienlandschaft mit der NPD als der organisierten Partei, die das politische System in der BRD bis auf die Wurzel bekämpft, auch die Wurzel abnimmt.« Der heutige NPD-Chef weiter: »Wir sind stolz darauf, dass wir alljährlich in den bundesdeutschen Verfassungsberichten stehen und dort als feindlich, verfassungsfeindlich, gegen dieses System gerichtet genannt sind. Jawohl, wir sind verfassungsfeindlich!« Und die NPD zieht die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich, wenn es um das Thema Rechtsextremismus geht. Andere Neonazi-Organisationen können sozusagen im öffentlichen Windschatten der Partei agieren.
In zwei deutsche Landtage und Dutzende Kommunalparlamente schaffte es diese verfassungsfeindliche Partei. Rassismus und Antisemitismus können sich immer so weit ausbreiten, wie die Mehrheitsgesellschaft dies zulässt. Wie weit dies gehen kann, zeigt ein Fall aus Brandenburg. In Guben brauchte sich die NPD nicht einmal von einer tödlichen Hetzjagd auf einen Flüchtling zu distanzieren, sondern konnte das Opfer öffentlich noch verhöhnen. Vor der Kommunalwahl in Brandenburg im September 2008 reagierte die Partei auf die Berichterstattung über ihren Kandidaten Alexander B. In einer Mitteilung warfen die Rechtsextremisten den Medien eine »Verschleierungstaktik« vor. Den Umstand, dass über die Verurteilung ihres Kandidaten berichtet wurde, wertete die NPD als ein Indiz für ihre vermeintlich guten Chancen bei der Kommunalwahl. Alexander B. war im Zusammenhang mit einer Hetzjagd verurteilt worden. Als ein Flüchtling im Februar 1999 von elf Jugendlichen durch die Stadt gejagt worden war, trat der Asylbewerber in Todesangst die Scheibe einer Haustür ein, um dort Hilfe zu finden. Dabei verletzte Omar Ben Noui sich eine Beinarterie und verblutete. Rädelsführer der Verfolger war Alexander B. Der damals 21-Jährige wurde dafür zu zwei Jahren Jugendgefängnis verurteilt. Die NPD nannte diesen Angriff in ihrer Erklärung zur Kommunalwahl eine »Klamotte«. Was wirklich geschehen sei, so die Rechtsextremisten weiter, sei von den meisten Medien verzerrt worden.
Im Folgenden versucht sich die NPD an der bekannten Umkehr von Täter und Opfer: »Bemerkenswert war auch, dass sich der Algerier unter falschem Namen in Deutschland aufhielt und in Guben als Drogendealer bekannt war.« Aus Sicht der NPD sind diese unbelegten Behauptungen also bemerkenswert, da die Hetzjagd der Jugendlichen so zu erklären sei. Die Absicht ist klar: Das Opfer habe es im Prinzip nicht anders verdient. So legitimiert die NPD indirekt die Hetze auf Neonazis. Der Verfassungsschutz schrieb zu der Attacke und den Folgen: »Die Hetzjagd auf den algerischen Asylbewerber Farid Guendoul alias Omar Ben Noui am 13. Februar 1999 stellte einen Wendepunkt dar. Seit Mitte der neunziger Jahre war die rechtsextremistische Szene Gubens wenig aktiv und eher unselbständig geblieben, obschon sie von Berliner Neonazis umworben wurde. Doch im Gefolge der tödlichen Hetzjagd erwies sie sich als virulent. Seither stieg die Zahl der einschlägigen Straftaten drastisch an. Nach dem Tod des Asylbewerbers wusste sich die rechtsextremistische Szene unter öffentlicher Beobachtung. Sie pendelte zwischen Rückzugsverhalten und Trotzreaktionen. Ein Teil der Szene fühlte sich durch das Medienecho und die Anteilnahme der politischen Eliten, aber auch durch die lange Prozessdauer offenkundig zu weiteren Provokationen und Straftaten animiert. Die am 13. November verkündeten Urteile gegen die elf Angeklagten im ›Hetzjagdprozess‹ – acht erhielten Freiheitsstrafen zwischen drei Jahren ohne und einem Jahr auf Bewährung, drei kamen mit Verwarnungen und Arbeitsauflagen davon – entfalteten kaum abschreckende Wirkung. Insbesondere jüngere Angehörige der rechtsextremistischen Szene Gubens hatten weiterhin keine Scheu, ihre Fremdenfeindlichkeit auch gewaltsam auszuleben.
Weitere Kostenlose Bücher