Terror von Rechts
auf Jagt gehen usw. Mit welchen Mitteln möchte die NPD gegen solche Schwerkriminellen vorgehen?«
Eine Reaktion blieb der Thüringer Neonazi dem Bürger schuldig. Aber manchmal ist keine Antwort auch eine Antwort. Zum NSU fallen der NPD ebenfalls nur dürftige Antworten ein, man versucht, sich irgendwie zu distanzieren. Denn der Partei droht das Aus. Sie steht besonders unter Druck, seit die rassistische Mordserie nach mehr als einem Jahrzehnt als eine solche erkannt worden war und die Debatte über ein erneutes Verbotsverfahren gegen die NPD wieder einsetzte – beziehungsweise instrumentalisiert wurde, um die Handlungsfähigkeit der Politik zu demonstrieren und von dem skandalösen Versagen auf allen Ebenen abzulenken. Bislang blieben die sich regelmäßig wiederholenden Diskussionen ohne konkrete Ergebnisse, doch die NPD fürchtet zu Recht, dies könnte sich bald ändern. Kein Wunder, denn die Partei ist der selbsternannte parlamentarische Arm der Bewegung, zu der auch die Rechtsterroristen zählen. Im Herbst 2011 stieß Holger Apfel seinen ehemaligen Ziehvater Udo Voigt vom Thron der NPD, der sächsische Fraktionschef steht für die Strategie der »seriösen Radikalität«: moderates bürgerliches Image, radikal-nationalistische Positionen. Intern ist der Kurs umstritten, weil einige Neonazis ihn offenkundig nicht verstehen oder ablehnen, da sie darin eine vermeintliche Verbürgerlichung sehen. Apfel braucht aber den Erfolg, sonst verschwindet seine Partei möglicherweise in der Versenkung der Kommunalparlamente einiger ostdeutscher Regionen – auch ohne ein Verbot. Zudem leidet die Neonazi-Partei unter einer notorischen Geldknappheit; die selbsternannten Retter Deutschlands schaffen es kaum, eine 6 000-Mitglieder-Partei zu verwalten und am Leben zu erhalten. Die NPD sorgte seit Jahren für Negativschlagzeilen wegen interner Schlammschlachten und Straftaten von Mitgliedern, doch die Verbindungen zum mutmaßlichen NSU-Unterstützernetzwerk könnte ihr endgültig das Genick brechen. Die NPD beeilte sich daher, eine imaginäre Linie zwischen Partei und besonders militanten Neonazis zu ziehen. Eine kniffelige Sache, immerhin bietet die NPD seit Jahren dieser Klientel eine politische Heimat. Apfel führte selbst aus, dass sich die Partei als Arm des »Nationalen Widerstands« versteht – und nicht als Teil des Parteienspektrums. »Die NPD war und ist Stachel im Fleisch des Systems«, sagte er beispielsweise 2007 bei einer Rede. Für die Bundesrepublik zeigte Apfel nur Verachtung: Der Landtag sei »nicht mehr als eine billige Karikatur einer wirklichen Volksherrschaft«, polterte der heutige NPD-Chef. Die etablierten Politiker »vergewaltigen tagtäglich« die »wahre Demokratie«. Apfel setzte weiter auf provozierende Krawallsprache, die jüngste Debatte über ein Verbotsverfahren bezeichnete er als »beispiellose Pogromhetze«.
Das Verhältnis der NPD zur Gewalt ist eindeutig zweideutig. Offiziell lehnen die Funktionäre Gewalt ab – doch viele NPD-Mitglieder sind vorbestraft, auch wegen Gewaltdelikten.
Beispielsweise in Sachsen, wo Apfel die Fraktion im Landtag anführt und außerdem Parteichef war. Hier ist auch Thomas S. aktiv, er war führender Kader einer mittlerweile verbotenen Schlägertruppe mit dem Namen Skinheads Sächsische Schweiz (SSS). Mit seinen ehemaligen SSS-Kadern macht er nun Karriere bei der NPD – Thomas S. ist wegen Gründung und Weiterführung einer kriminellen Vereinigung vorbestraft. »Die SSS ist inzwischen komplett in der NPD untergekommen«, sagte Petra Schickert, eine Beraterin für Demokratiefragen in Pirna. 44
Darüber hinaus wurden anfang November 2011 Aussagen bekannt, die dem Image der »seriösen Radikalität« ebenfalls nicht gerade zuträglich waren. So veröffentlichte das Magazin GAMMA Auszüge aus einem Internetforum, in dem Neonazis aus Sachsen und anderen Ländern ihre Aktivitäten koordinierten. Auch NPD-Funktionäre sollen dabei gewesen sein, beispielsweise Maik Scheffler, seines Zeichens NPD-Vize in Sachsen, vorbestraft wegen gefährlicher Körperverletzung, unerlaubten Waffenbesitzes und Hausfriedensbruchs. Die Inhalte des Forums sind erschütternd und reichen bis zu der »Anregung«, eine »Polizeiwache abzufackeln« und einen »Polizisten abzustechen«. Nach der Veröffentlichung der Inhalte dieses Forums geriet Scheffler in die Schlagzeilen. Apfel stand aber zu seinem Kameraden, lobte ihn für seine »konstruktive« Zusammenarbeit. Denn auf die ultraradikale
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