Terror von Rechts
Nicht die Untat, sondern der Gedenkstein für das Opfer wurde für die rechtsextremistische Szene – aber auch für Teile der Gubener Bevölkerung – zum Stein des Anstoßes. Mehrfach wurde er geschändet. Zu den Tätern gehörte ein an der tödlichen Menschenjagd Beteiligter, den seine Verurteilung offensichtlich nicht beeindruckt hatte.«
Rechtsextreme werden also durch Attacken auf ihre Feinde und den fehlenden Verfolgungsdruck ermutigt, ihr Treiben fortzusetzen und weitere Angriffe folgen zu lassen. Die Gewaltwelle mit Überfällen, Anschlägen und pogromartigen Ausschreitungen Anfang der neunziger Jahre zeigte bereits deutlich, welche Dynamik solche Gewalttaten in der Szene in Gang setzen. Dies werden auch die Rechtsterroristen gewusst haben, möglicherweise ist das eines ihrer Motive; sie wollten der Bewegung neuen Schwung verleihen und signalisieren, was alles möglich ist. Das Bekenntnis nach innen spielt somit im Rechtsterrorismus womöglich eine große Rolle, wie auch entsprechende Texte von Hunderten Liedern belegen. Die Rechtsextremen gingen dabei höchst riskant vor, erschossen ihre Opfer tagsüber, mitten in großen Städten. Entweder sie waren sich sehr sicher, nicht gestoppt zu werden, oder der fehlende Verfolgungsdruck ermutigte die NSU-Terroristen.
Auch viele NPD-Anhänger wissen, welche Bedeutung die Aktion hat, um junge Kader an sich zu binden. Anfang Februar 2012 zeigte die Berliner NPD wieder ganz offen ihre Gesinnung, als der Autonome Nationalist Sebastian Schmidtke zum Vorsitzenden des darbenden Landesverbandes gewählt wurde. Schmidtke kann eine Neonazi-Karriere vorzeigen, wie sie typisch für viele NPD-Funktionäre ist. Sein Name wurde in Verbindung gebracht mit Organisationen wie dem Kampfbund Deutscher Sozialisten (KDS) oder dem Märkischen Heimatschutz, eine Bruderorganisation des Thüringer Heimatschutzes, dem die Neonazis des NSU entstammten. Bei der 2005 verbotenen Kameradschaft Berliner Alternative Süd-Ost (BASO) soll Schmidtke ebenso aktiv gewesen sein wie beim Neonazi-Netzwerk Nationaler Widerstand Berlin (NW Berlin). Ähnlich wie in Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern, wo ganze Kameradschaften in der NPD aufgingen, war es auch in der Hauptstadt. Die aktionistische Ausrichtung der jungen Neonazis drückte Schmidtke so aus: »Die Bevölkerung von Berlin darf sich in der Hinsicht auf mehr NPD-Material in den Briefkästen freuen, mehr Informationsstände und mehr öffentlichen … äh … wirksamkeite Aktionen.« Zuvor waren auf den Internetseiten der Berliner Kameradschaftsszene immer wieder Mordaufrufe gegen politische Gegner veröffentlicht worden. Schmidtke war angeblich Teil dieser Szene, wie Aufkleber und Flugblätter nahelegen, auf welchen er als Verantwortlicher im Sinne des Presserechts aufgeführt wurde.
Schmidtke war es auch, der einen Aufmarsch im Oktober 2009 angemeldet hatte, auf dem Namen von mehreren Dutzend linken Politikern und Antifaschisten verlesen wurden – begleitet von der vom braunen Mob gerufenen Drohung »Wir kriegen euch alle«. Die Demonstration stand unter dem Motto »Vom nationalen Widerstand zum nationalen Angriff«, und nicht nur einmal machten Teilnehmer des Aufmarsches diese Drohung wahr und attackierten Gegendemonstranten und Journalisten. Bei einer angeblich von Schmidtke angemeldeten NPD-Kundgebung am Rosa-Luxemburg-Platz versuchten mehrere Neonazis am 17. Juni 2011, das Verlagshaus der linksdogmatischen Tageszeitung
Junge Welt
zu stürmen. Die Gewalt eskalierte vollends bei einem ebenfalls von Schmidtke angemeldeten Aufmarsch ein Jahr zuvor, am 14. Mai 2011 im Stadtteil Kreuzberg. Nach einer erfolgreichen Blockade des Aufmarsches durch Antifaschisten griffen Neonazis die Gegendemonstranten an und verletzten viele.
Angesichts der zahlreichen Beispiele für Gewalttaten aus dem Umfeld der NPD und direkten Verbindungen von ehemaligen Funktionären zu mutmaßlichen NSU-Unterstützern, versuchte die Partei, sich als harmlos und unschuldig darzustellen. Ein besonders bizarres Schauspiel wurde im
NPD-Wochenbrief
, einem Newsletter von überschaubarem Inhalt, aufgeführt: Der NPD-Funktionär Patrick Wieschke aus Thüringen, vorbestraft wegen Beihilfe zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, sprach mit dem langjährigen »NPD-Rechtsamtsleiter« und Thüringer Funktionär Frank Schwerdt, vorbestraft wegen Volksverhetzung, über den Fall des NSU. Wieschke behauptete einleitend, es gebe keinen Zusammenhang zwischen »den Verbrechen, die einem
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