Terror von Rechts
er Namen und Adressen von Personen, die die Neonazis als Feinde betrachten und drohte: »Rote haben Namen und Adressen. Wir kriegen euch alle!« Mittlerweile wurde er dafür verurteilt. Ebenfalls in Berlin zogen am 1. Mai 2010 Neonazis über den Kurfürstendamm, bedrohten und schlugen Passanten. Die Polizei nahm Dutzende Rechtsextreme in Gewahrsam, darunter auch NPD-Funktionäre. An jenem Tag wollten zudem Neonazis aus Nordrhein-Westfalen einen Sprengkörper mit Glassplittern zünden, um Polizisten und linke Demonstranten zu verletzen.
Die Vorliebe für Sprengstoff und Waffen ist in der Bewegung verbreitet. Der NPD-Funktionär Thorsten Heise beispielsweise geriet ebenfalls im Zusammenhang mit dem NSU in die Schlagzeilen. Bei Heise selbst wurden im Zuge einer Razzia mehrere Waffen gefunden – interessanterweise im Oktober 2007, als die Mordserie des NSU nach bisherigen Erkenntnissen plötzlich endete. Heise ist unter anderem wegen schwerer Körperverletzung, Landfriedensbruch, Nötigung und Volksverhetzung vorbestraft, in der NPD saß er mehrere Jahre im Vorstand. Sein Werdegang als brauner Schläger und Hetzer verlieh ihm die nötige Glaubwürdigkeit, um die Freien Kräfte an die Partei zu binden.
Die NPD ist also wenig wählerisch, was ihr Personal angeht. Zahlreiche weitere Mitglieder und Funktionäre sind vorbestraft. Es handelt sich dabei nicht, so wie es die NPD gern behauptet, um Einzelfälle. Das ARD-Politikmagazin »Report Mainz« dokumentierte Anfang 2012, dass in den vergangenen zehn Jahren rund 110 NPD-Funktionäre und deren Mandatsträger etwa 120 Straftaten begangen haben oder wegen solcher beschuldigt wurden. Das bedeutet, im Durchschnitt verging kein Monat, ohne dass ein Repräsentant der NPD eine Straftat verübt hat oder dass gegen einen von ihnen ermittelt wurde. Rund 35 Straftäter oder Beschuldigte gehören oder gehörten einem NPD-Landes- oder dem Bundesvorstand an, also obersten Parteigremien. 50 NPD-Mandatsträger beziehungsweise deren Mitarbeiter sind strafrechtlich auffällig geworden. Am häufigsten ging es um Körperverletzung, rund 70 dieser Fälle wurden ermittelt. Des Weiteren tauchen in der Statistik Delikte wie Freiheitsberaubung, Waffen- und Sprengstoffbesitz, Raub und Erpressung auf. 46
Für den ehemaligen Richter am Bundesverfassungsgericht, Siegfried Broß, sind das Delikte, »die die Unantastbarkeit von Leben, Gesundheit und persönlicher Freiheit von Menschen betreffen und insofern schwerwiegend sind«. Broß war als Richter im Jahr 2003 maßgeblich an der Einstellung des damaligen NPD-Verbotsverfahrens beteiligt und betonte gegenüber »Report Mainz«, er könne sich nicht erinnern, dass ihm zum damaligen Zeitpunkt vergleichbares Material über Straftaten von NPD-Funktionären vorgelegen hätte: »Es ist jetzt zwar schon viele Jahre her, aber mir ist nichts dergleichen in Erinnerung. Und wenn vergleichbares Material, auch nicht in der Dichte und in der Vielzahl, vorhanden gewesen wäre, dann hätte ich es aufgegriffen und dann hätte das thematisiert werden müssen, und hätte vielleicht damals dem Verfahren eine andere Wendung gegeben.« Ein längst überfälliger Ansatz sei diese Statistik, meint der angesehene Staatsrechtler Jörn Ipsen von der Universität Osnabrück. Überraschthabe ihn allerdings, dass »diese Statistik auf Recherchen eines Fernsehjournalisten beruht und nicht längst durch Verfassungsschutzbehörden vorgelegt worden ist«. Bei der Häufung insbesondere der Gewaltdelikte, »die von Funktionären begangen sind, spricht alles dafür, dass diese Delikte zu einem großen Teil der Partei zuzurechnen sind«. Aufgrund der neuen Sachlage hält der Staatsrechtler Ipsen »die Bundesregierung für verpflichtet, ein neues Verbotsverfahren einzuleiten«.
Dabei sind die Straftaten der NPD-Anhänger kein Geheimnis, es muss sie nur jemand über die Jahre dokumentieren – beispielsweise Anton Maegerle, der den »Report Mainz«-Bericht mit realisiert hat. Er betont, künftige Verbotsanträge »müssen sich jedenfalls nach der Berichterstattung von ›Report Mainz‹ intensiv mit dem Strafregister der NPDler auseinandersetzen. Eine entsprechende Dokumentation könnte DER Mosaikstein für ein Verbot dieser verfassungswidrigen Partei sein«.
Anfragen an die Landesregierungen von Thüringen und Sachsen-Anhalt bestätigen das Bild. So wurde fast jeder vierte Kommunalabgeordnete der NPD rechtskräftig verurteilt. In Sachsen-Anhalt liegen nach den Erkenntnissen der
Weitere Kostenlose Bücher