Terror von Rechts
Thema in überregionale Medien thematisierten.«
Während Projekte für Demokratie und gegen Rechtsextremismus also eine rechtlich und politisch höchst umstrittene Klausel unterzeichnen müssen, um zu versichern, dass sie selbst keine Verfassungsfeinde seien und auch nicht mit solchen kooperierten, bleibt den Vertriebenen dies erspart. Volker Beck, der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, wollte von der Bundesregierung wissen, warum das so ist. Die Antwort: »Das Bundesministerium des Innern prüft im Übrigen vor jeder Bewilligung einer Zuwendung, ob der Empfänger einer Zuwendung in einem extremistischen Umfeld angesiedelt ist oder sich in irgendeiner Weise gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung betätigt. Liegen entsprechende Hinweise vor, wird von einer Zuwendung abgesehen oder eine Förderung eingestellt.« 52 Aber was passiert, wenn keine Hinweise vorliegen, weil der Verfassungsschutz diese schlicht ignoriert? Warum die Informationen des Informanten nicht verwertet wurden, weiß nur der Inlandsgeheimdienst selbst, Auskunft darüber erteilt er, wie gewohnt, nicht. Eine qualitative Überprüfung der Arbeit ist schlicht nicht vorgesehen. Dieser Vorfall zeigt aber exemplarisch, sobald der Verfassungsschutz auf dem rechten Auge blind ist, ist es auch das Innenministerium, da der Geheimdienst für die Beschaffung von Informationen und Einschätzungen der aktuellen Entwicklungen zuständig ist. Und so wird auch klarer, warum der NSU nicht ins Bewusstsein von Politik und Öffentlichkeit drang. Die Einschätzungen des Geheimdienstes hatten mit der realen Gefährdung wenig gemein, die Relationen stimmen nicht, wie ein Beispiel aus dem Jahr 1999 zeigt, als in Thüringen längst das Fundament für den braunen Terror gelegt worden war.
Für den 1. Dezember 1999 hatte die Jenaer Burschenschaft Jenensia zu einer Veranstaltung unter dem Titel »Müssen wir Deutsche uns ewig schuldig fühlen?« geladen. Die Jenensia war in Jena mehrfach dadurch aufgefallen, dass bei ihren Veranstaltungen Mitglieder der NPD und des Thüringer Heimatschutzes, in dem die NSU-Terroristen organisiert waren, teilnahmen. Ein ehemaliger NPD-Funktionär trat als Referent auf, und Neonazis wurden als Ordner eingesetzt. Diese Veranstaltung wurde im Jahresbericht des Verfassungsschutzes unter der Rubrik »Rechtsextremismus« nicht einmal erwähnt – wohl aber im Kapitel »Linksextremismus«! Auf einer ganzen Seite wird eine Protestveranstaltung des Jenaer Bündnisses gegen rechts dargestellt, Texte von Transparenten wie »Burschenschaftler sind Faschisten« oder »Antifaschistische Selbsthilfe organisieren« angeführt und das Skandieren des Rufes »Deutsche Polizei schützt Faschisten« erwähnt. Die damalige PDS erkundigte sich, ob die Landesregierung dies, was die Relationen anginge, so in Ordnung fände. Sie fand es in Ordnung. Bemerkenswerterweise wurde der THS, in dessen direktem Umfeld Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe bereits Ende der neunziger Jahre mit Sprengstoff aufgefallen waren, mit gerade einmal 13 Zeilen im Verfassungsschutzbericht 1999 erwähnt. Terroristische Auswüchse des Rechtsextremismus nahmen somit weniger Raum in dem Bericht ein als eine einzelne antifaschistische Protestaktion. 53
In den Jahren zuvor hatte der Verfassungsschutz noch intensiver über den THS informiert und keinen Zweifel daran gelassen, dass es in Thüringen bewaffnete rechtsextreme Gruppierungen und in ihr auch Befürworter einer rechtsterroristischen Strategie gab. Dies alles spielte im Bericht für das Jahr 1999 plötzlich keine Rolle mehr – und das, obwohl der Verfassungsschutz direkt an der Spitze des Thüringer Heimatschutzes und somit im Umfeld des späteren NSU-Netzwerks Informanten hatte, über die der Geheimdienst später sogar versuchte, Geld an die Terrorzelle zu leiten. Der Verfassungsschutz in Thüringen half also über Jahre, rechtsextreme Strukturen aufzubauen und zu finanzieren, analog zur rechtsextremen Propaganda wurde die Militanz von Antifaschisten vollkommen übertrieben und die Gefahr durch Neonazis konsequent verharmlost oder sogar ignoriert. Dies gilt auch und insbesondere für den THS, dessen Vertreter in einem Aufklärungsvideo über »Extremismus«, das vom Verfassungsschutz unterstützt wurde, unkommentiert erklären konnten, die Gewalt gehe von den Linken aus – man selbst wolle nur das Land schützen. 54
Da passt es ins Bild, dass in den Verfassungsschutzberichten für Thüringen regelmäßig
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