Terror von Rechts
sächsischer Behörden geht, muss die Aufklärung zwingend von Sachsen ausgehen, das gebietet schon die föderale Organisation der Bundesrepublik.« 56
Letztendlich konnte die Opposition in Sachsen doch noch einen Untersuchungsausschuss durchsetzen – gegen beträchtlichen Widerstand der schwarz-gelben Koalition in Dresden.
Dass die Behörden die Dynamik, die Militanz und die Entschlossenheit der Rechtsextremisten unterschätzten und zudem keinen Rechtsterrorismus erkennen konnten, hat auch mit der öffentlichen und politischen Wahrnehmung der Bewegung zu tun. Wenn Politik und Sicherheitsbehörden immer nur Einzeltäter sehen, wenn Medien nicht das bundesweite und internationale Netzwerk der extremen Rechten durchschauen, verstehen und darstellen, kann auch kein Bewusstsein dafür wachsen, dass sich innerhalb dieser komplexen rechtsextremen Bewegung einzelne Kameradschaften oder Zellen so weit radikalisieren, dass sie in den Terrorismus abwandern – und dass sie durch ein intaktes internationales Netzwerk unterstützt und versorgt werden. Das heißt, wenn ein komplexes Phänomen nicht einmal ansatzweise in seiner Gesamtheit erkannt wird, weil es einfach mit dem Siegel »Extremismus« versehen wird, und Einstellungsmuster dahinter sowie die spezifischen Eigenschaften – wie das Primat der Praxis sowie der Wille zur Vernichtung – übersehen werden, wenn stattdessen nur einzelne Teile der Bewegung, vorzugsweise die NPD, beleuchtet und als exotisches Problem der politischen »Ränder« dargestellt werden, dann kann auch kein sinnvolles Gesamtbild entstehen, aus dem sich mögliche Gefahren ablesen lassen.
Der Ex-Neonazi Ingo Hasselbach betonte, als er aus der Szene ausgestiegen sei, habe er »monatelang beim BKA gesessen und eine Lebensbeichte abgelegt«. Dabei habe er »sehr klar darauf hingewiesen, dass da Strukturen entstehen, die nicht mehr kontrollierbar sind«. Zu dieser Zeit – nach den großen Parteiverboten von 1993 – hätten die Neonazis angefangen, sich »ganz klar mit rechtsterroristischen Gedanken zu beschäftigen«. Hasselbach weiter: »Wir haben angefangen, Planungen zu machen: Wie finanziert man das, was ist der Hinterhalt in der Öffentlichkeit, in der Legalität? Wo kriegt man Papiere her? – All diese Sachen sind ’94, ’95, ’96 angedacht worden. Diese Hinweise habe ich damals in meinen Aussagen dem BKA gegeben. Deshalb war für mich, als jetzt alle darstellten, das ist eine große Überraschung, zumindest, was die Behörden angeht, dann eher die große Überraschung, dass die nichts gewusst haben wollen.« 57
Die Gefahr durch den Rechtsterrorismus wurde massiv unterschätzt – und nach dem Terroranschlag des 11. September 2001 mit mehr als 3000 Opfern in New York wurde der Fokus bei den Sicherheitsbehörden deutlich verschoben. Dies zeigt sich auch in den Strukturen: Das Bundesinnenministerium sollte auf Anfrage der Linksfraktion im Jahr 2011 erläutern, warum fünf Jahre zuvor im Bundesamt für Verfassungsschutz die Abteilung Rechtsextremismus aufgelöst (!) worden war. Die Kritik daran wurde von der schwarz-gelben Koalition zurückgewiesen, die Abteilung sei lediglich mit der für den Linksextremismus zusammengelegt worden. Eine Abteilung für zwei vollkommen gegensätzliche Phänomene – deutlicher könnte das Versagen bei der Analyse und Bewertung der rechtsextremen Bewegung kaum dokumentiert werden. Welche Vorteile diese Zusammenlegung bringen sollte, wo linker und rechter Terrorismus grundverschieden funktionieren, was Motivation, potentielle Opfer und Vorgehen angeht, konnte die Regierung dementsprechend nicht darlegen.
Zudem fragt man sich: Warum werden aus Skandalen und Versäumnissen keine Konsequenzen gezogen? Wie ist es in einem demokratischen Rechtsstaat möglich, dass ein Geheimdienst das Verbot der NPD durch seine frag- und kritikwürdige Kooperation mit den Neonazis verhindert und die Öffentlichkeit den Wert der Informationen dieser V-Leute noch nicht einmal bewerten kann? Warum kann ein Geheimdienst indirekt Politik machen? Die Antwort: Weil es sich eben um einen Geheimdienst handelt, jede Transparenz endet an den Pforten der Verfassungsschutzämter. Eine schwierige Lage für ein demokratisches System, denn jeder Staat benötigt einen Geheimdienst. Aber wie kann dieser effektiv kontrolliert werden? Die wenigen Informationen, die derzeit nach außen dringen, werden sorgsam ausgewählt und gefiltert. Dementsprechend steht in den jährlichen Tätigkeitsmerkberichten
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