Terror von Rechts
wenn dort zurzeit mehrheitlich Polen leben.«
Bereits am 19. Mai 2005 vermeldete S. einen ersten Erfolg: »Neues von der Front: Habe mich gestern mit den Polacken aus dem Vorstand getroffen. Man will mich dabei haben – auch im Vorstand. Es ist dann bereits jetzt möglich unsere Aktionen über die SJ laufen zu lassen. D. h. Werbung weiterer Teilnehmer und Finanzierung der bzw. für die Osttour 2006 kann bereits über die SJ gehen.«
Wenig später berichteten die
Schlesischen Nachrichten
, ein Mitteilungsblatt der BdV-Landsmannschaft Schlesien, dass es »verschiedene Veranstaltungen« geben werde, um Nachwuchs für die SJ zu rekrutieren. Bei den »Osttouren« handelte es sich um Fahrten, die das Netzwerk der Rechtsextremen, die sich in dem geschlossenen Forum organisiert hatten, seit 2002 veranstalteten. Später tauschten sie hier auch Fotos und Erlebnisse. So hieß es zu der Osttour 2005 in dem Forum: »Politischer Höhepunkt war Auschwitz. Und ich kann hier nur für mich persönlich sprechen – dieser Besuch hat Wirkung gezeigt: Ich bin seit diesem Tage bekennender Antisemit. Der kameradschaftliche Höhepunkt war natürlich wieder das multikulturelle Grillfest mit unseren tschechischen Kameraden. Diesmal mit mitternächtlicher Verbrennung der Zionsfahne.«
Einen Tag später ergänzte S.: »Die zahlreichen Juden, die übrigens rassisch einen ganz üblen Multikulti-Brei darstellen, ziehen freudig und mit wehenden Zionsfahnen in das Lager ein. Vor 60 Jahren wäre dies Verhalten durchaus begrüßenswert gewesen *g* [soll heißen: grins, Anm. d. A.], heute jedoch müsste das selbst ein BRD-Weichei nach Gutmenschenart ankotzen, wie man hier ein möglicherweise angebrachtes Gedenken pervertiert. Wer in Auschwitz war, weiß spätestens hier, dass der Holo Religion ist. […] Es sind Juden die auf den Gräbern Ihrer Vorfahren die Herrschaft des Weltjudentums und unsere Knechtschaft feiern. Und deshalb: Juda, du stirbst für diese Schweinerei!«
Die »Ostfahrt« sollte 2010 erneut von der SJ in Kooperation mit der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO) durchgeführt werden, welche mehrmals an der Organisation der Neonazi-Aufmärsche in Dresden beteiligt war. Die Zusammenarbeit zwischen SJ-Funktionären und JLO war leicht zu erkennen, denn die SJ verwies von mehreren Seiten auf die rechtsextreme Organisation und arbeitete auch bei anderen Aktivitäten mit der JLO zusammen, wie Journalisten in Thüringen belegen konnten. Dennoch beobachtete der Geheimdienst nach offiziellen Angaben die SJ erst ab Mai 2010, größere Berichte zum Treiben der rechtsextremen SJ blieben zunächst ganz aus. Nach den Berichten über die Vernetzung zwischen Vertriebenen-Nachwuchs mit offen neonazistischen Organisationen trennte sich, vermutlich unter dem Druck verschiedener Bundespolitiker, die Landsmannschaft Schlesien von der SJ. Und den eigenen Landesverband in Thüringen musste die Landsmannschaft ebenfalls suspendieren, da sich dieser nicht von der SJ distanzieren wollte. Nun berichtete auch der Verfassungsschutz über die Sache: »Unter dem Deckmantel eines Vertriebenenverbandes« werde die SJ in dem Bundesland inzwischen (!) von »aktiven Rechtsextremisten« missbraucht. Ein Frühwarnsystem sieht anders aus.
Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion in Thüringen, Martina Renner, die sich seit vielen Jahren mit der rechtsextremen Bewegung in dem Bundesland beschäftigt, meinte zur Arbeit des Inlandsgeheimdienstes, neue und aktuelle »Entwicklungen des Neonazismus wurden zu spät erkannt oder in ihrem Gefahrenpotential unterschätzt. Dies gilt insbesondere in den neunziger Jahren für die Radikalisierung der Szene durch Wehrsport/Schießübungen und Sprengstofferwerb und -umgang und kursierender Konzepte des bewaffneten braunen Kampfes, z. B. durch die NF oder Combat 18. Trotz Auffinden von Waffenlagern (Heilsberg), Schießübungen (Milbitz), Wehrsport (Kahla und Raum Stadtroda) hatte man immer Beschwichtigungen parat. Waffenerwerb und -training wurden als nicht zielgerichtet, spielerisch, Ausdruck eines ›Waffenfetischismus‹ oder als jugendtypisches Phänomen abgetan. In den Folgejahren gab es zu späte oder falsche Einschätzungen zur Bedeutung der Nazi-Musik-Szene in Thüringen, zur Rolle von rechten Immobilien, zum Aufkommen der Autonomen Nationalisten und zur Gefahr durch völkische rechtsextreme Organisationen wie Schlesische Jugend und HDJ. Der Verfassungsschutz reagierte oft erst, wenn investigative Journalisten das
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