Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Terror von Rechts

Terror von Rechts

Titel: Terror von Rechts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Gensing
Vom Netzwerk:
des Geheimdienstes, den Verfassungsschutzberichten, kaum etwas, was die interessierte Öffentlichkeit nicht bereits weiß.
    Katharina König sitzt für die Linkspartei im Landtag von Thüringen und auch im Innenausschuss, der für die Kontrolle des Verfassungsschutzes zuständig ist. Sie sagt, es gebe praktisch gar keine parlamentarische Kontrolle. »Das, was stattfindet, ist eine Augenwischerei. Es wird vermittelt, die Parlamentarier hätten einen gewissen Einfluss auf das, was im Verfassungsschutz passiert und könnten, wenn etwas schiefgelaufen ist, entsprechend reagieren. Das stimmt aber nicht. Letztendlich entscheidet der Geheimdienst, was er den Parlamentariern sagt. Diese müssen diese Aussagen dann einordnen können, was meistens nicht geht, weil Informationen fehlen. Und wenn die Parlamentarier es einordnen können und nachfragen, ist überhaupt nicht klar, ob sie eine Antwort bekommen. Das Entscheidende ist aber auch, dass man mit kritischen Informationen nichts anfangen kann, weil es wiederum verboten ist, darüber zu sprechen.« 58
    Ähnlich argumentiert ihre Fraktionskollegin Martina Renner. »Was der Verfassungsschutz macht, wissen Abgeordnete und Öffentlichkeit nicht«, sagt sie. Die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission seien zum Schweigen verpflichtet. Das Landesamt wisse aber, dass es »in der Kritik steht und versucht, die erfahrene Delegitimation durch PR-Kampagnen wie einer ›antiextremistischen‹ Ausstellung an Schulen zu begegnen. Presseanfragen werden nach wie vor wortkarg und zögerlich beantwortet. Aktuelle Entwicklungen der militanten Neonazi-Szene wie z. B. das ›Freie Netz‹ nicht adäquat bewertet. Die Funktion des Frühwarnsystems, das sich der VS gern selbst zuschreibt, erfüllt das Landesamt an keiner Stelle. Diese Funktionen nehmen institutionelle und freie Projekte und Gruppen aus dem Bereich der antifaschistischen Recherche und Prävention war.«
    Der Verfassungsschutz entscheidet, was er überhaupt beantwortet und was nicht, und wenn der Geheimdienst antwortet, lassen sich die Angaben kaum überprüfen – und falls doch mal brisante Details auftauchen sollten, dürfen die Politiker nicht darüber sprechen. Demokratische Kontrolle? Fehlanzeige!
    Der Politikwissenschaftler und Publizist Armin Pfahl-Traughber, seit vielen Jahren ein anerkannter Experte auf dem Gebiet des Rechtsextremismus, versuchte die Kritik am Verfassungsschutz abzumildern. Pfahl-Traughber, früher wissenschaftlicher Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, argumentierte, auch andere hätten die neue Dimension des NSU-Rechtsterrorismus nicht erkannt. »Weder Antifa-Gruppen und Fachjournalisten noch Terrorismusforscher und Verfassungsschützer gingen von der realen oder theoretischen Existenz einer solchen Gruppe aus.« 59
    Diese Argumentation zeigt eine gewisse Hilflosigkeit: Weil Antifa-Gruppen oder Journalisten nichts vom NSU ahnten, braucht auch der Inlandsgeheimdienst, ausgestattet mit weitreichenden Überwachungsmöglichkeiten, Geld, V-Männern und Mitarbeitern in allen Bundesländern sowie auf Bundesebene, nichts davon zu wissen? Welchen Mehrwert bringt dieser Geheimdienst, dessen Zusammenarbeit mit NPD-Funktionären das Verbot dieser Partei verhindert und der Bewegung viel Geld einbringt, wenn er maximal den Sachstand von Journalisten, Antifa-Gruppen oder Wissenschaftlern haben sollte? Der ehemalige Ministerpräsident von Thüringen Bernhard Vogel (CDU) räumte offen ein, dass er »selten« von den Verfassungsschützern Informationen bekommen habe, die er »nicht vorher schon in der Zeitung gelesen hatte«. 60
    Zudem gab es durchaus immer wieder die Warnungen vor den zahlreichen Waffen in der rechtsextremen Bewegung, die gepaart mit der Vernichtungsideologie der Nazis und den zahlreichen Anschlägen und Überfällen sowie bisherigen rechtsterroristischen Erfahrungen höchst bedrohlich waren. Gideon Botsch von der Universität Potsdam betonte, die militante Gewalt sei vorhersehbar gewesen »und sie wurde auch vorhergesagt, aber leider nicht von Wissenschaft und Sicherheitsbehörden«. 61
    Auch die über viele Jahre gewachsenen Netzwerke in Thüringen und Sachsen wurden von Fachjournalisten, Politikern der Linken und der Grünen sowie Antifa-Gruppen immer wieder thematisiert. Der Freistaat Thüringen war jedoch der Meinung, sich als einziges ostdeutsches Bundesland kein Programm gegen Rechtsextremismus leisten zu müssen – mutmaßlich auf Empfehlung des Verfassungsschutzes, der 1999, wie

Weitere Kostenlose Bücher