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Terror von Rechts

Terror von Rechts

Titel: Terror von Rechts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Gensing
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oben ausgeführt, über angeblichen Linksterrorismus in Thüringen berichtete, nicht aber über die konkreten Indizien und Hinweise auf den rechten Terror. Außerdem hatte die Linkspartei bereits im Jahr 2007 im Bundestag gefragt, welche Hinweise es auf die Motive der Mordserie gab. Leider antwortete die Regierung darauf nicht. 62
    Auch die Angehörigen der Opfer hatten immer wieder auf Rassisten als mögliche Täter hingewiesen, ebenso ein bayerischer Profiler. Der Täter sei Deutscher, habe sich vor Beginn der Mordserie im Jahr 2000 in der rechten Szene bewegt, sei damals zwischen 22 und 28 Jahre alt gewesen, habe wohl einen Mittäter gehabt und das Schießen in einem Schützenverein oder beim Militär gelernt. Er spiele zudem womöglich am Computer Ego-Shooter-Spiele, hieß es laut
taz
in einer Fallanalyse. 63
    Damit war man Böhnhardt und Mundlos schon recht nahe. Doch die Ermittlungen in diese Richtung verliefen im Sande. Bundesinnenminister Otto Schily wollte in dem Nagelbombenattentat von Köln keine terroristische Tat erkennen, Bayerns Innenminister Günter Beckstein bestand darauf, das Bundeskriminalamt bei den Ermittlungen zu den fünf Morden in Bayern nicht einzuschalten. Schritte, die möglicherweise fatale Folgen hatten, denn so arbeiteten die zuständigen Landeskriminalämter weiter vor sich hin, ermittelten im »Milieu«, sprachen in der Öffentlichkeit von möglichen Verstrickungen der Opfer in die Wett-Mafia, was die Medien dankbar weitergaben. Es konnte nicht sein, was nicht sein durfte. Dabei gab es Ende der neunziger Jahre unzählige Hinweise auf rechtsterroristische Aktivitäten, Neonazis verübten Bombenanschläge, bewaffneten sich, bedrohten Menschen – doch die Gefahr wurde nicht gesehen. Weil man sie offenbar nicht sehen wollte. Und weil offenkundig Rassismus bei der Polizei mindestens genauso verbreitet ist wie auch sonst in der Bevölkerung, wie ein aktueller Kalender der Deutschen Polizeigewerkschaft sowie weitere Zeichnungen eines Polizei-Karikaturisten belegen. In dem Kalender, den der Landesverband Bayern der Deutschen Polizeigewerkschaft in einer Auflage von 3000 Stück produziert hatte, gab es etwa für den Monat März das Motiv eines festgenommenen Schwarzen auf einer Polizeiwache im Griff eines Beamten, der ruft: »Was heiß’ hie’ Ve’dunklungsgefah’ …?!«. Auf anderen Motiven des Zeichners, selbst ein Polizist, der des Öfteren bei Polizeijubiläen und ähnlichen Anlässen ausstellt, werden Schwarze durchweg als Eingeborene – mit dicken Lippen und Knochenschmuck – dargestellt, rassistische Witze und Sexismus geben sich ein munteres Stelldichein. So zeigt eines der Bilder etwa einen Schimpansen und zwei ratlose Polizisten. Darunter heißt es: »Er behauptet nicht aus dem Zoo, sondern dem Asylantenlager zu stammen.« Ein weiteres Motiv zeigt einen Schwarzen mit Wulstlippen und krausen Haaren, dessen Fingerabdrücke genommen werden: »Bei ihm brauchen wir keine Druckerschwärze. Es reicht, ihm die Finger anzufeuchten«, dichtet der Karikaturist. Auf einem anderen rassistischen Bild ist ein Schwarzer zu sehen, der von einem Polizisten getreten wird: »Kommt doch aus ’nem sicheren Tritt-Staat!« Auch die Politessen bekommen den Herrenhumor zu spüren: Da wären beispielsweise drei Polizistinnen, eine zeigt ihren Mehrzweckrettungsstock und sagt dazu, dieser ersetze »drei Neger: Hier lang und schmal, hier dick und massig, hier riffelig und ruppig.«
    Es stellt sich die Frage, ob sich der Polizist mit seinen Zeichnungen über den Rassismus und Sexismus in den eigenen Reihen lustig machen wollte? Wohl kaum, denn zur Verteidigung erklärten Gewerkschaftsvertreter, auf den Bildern sollte nur der Alltag (!) der Polizisten gezeigt werden – was interessante Rückschlüsse darauf zulässt, wie es in deutschen Polizeistationen so zugeht. Aber, so die Polizei weiter, das habe man schon länger so gemacht und deswegen könne das alles nicht falsch sein. Seit sechs Jahren erscheine der Kalender, und noch nie habe es Beschwerden gegeben, hieß es von der Gewerkschaft. Er sei nicht rassistisch und auch nicht diskriminierend, beharrten die Polizisten. »Da steckt nichts dahinter«, sagte der Chef des Landesverbandes, Hermann Benker. Es handle sich lediglich um »Polizistenjargon«. 64
    Zudem seien die Darstellungen gar nicht rassistisch, sondern einfach nur witzig gemeint und von der Freiheit der Kunst gedeckt. Was hat Rassismus aber mit Kunst zu tun, besonders bei der Polizei, die

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