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Terror von Rechts

Terror von Rechts

Titel: Terror von Rechts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Gensing
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dem Grundgesetz und den Menschenrechten verpflichtet ist? Und dass Rassismus auch Rassismus sein kann, wenn es gar nicht so gemeint ist, hat bei der Deutschen Polizeigewerkschaft in Bayern wohl auch noch nie jemand gehört. Was Rassismus ist, das bestimmt in Deutschland immer noch die weiße Mehrheit. Der Historiker Andreas Strippel betonte, nur weil man etwas nicht rassistisch gemeint habe, könne es sehr wohl rassistisch sein. »Sonst wird Rassismus auf ein individuelles Problem reduziert, das die Diskriminierten selbst mit ein bisschen gutem Willen aus der Welt schaffen könnten, wenn sie sich nur nicht so anstellen würden.« Genau diese vermeintliche Harmlosigkeit sei es, erläutert Strippel, die Alltagsrassismus so stark mache. »Und gerade diese Akzeptanz der weichen Diskriminierung ist immer wieder eine Legitimation für den rassistischen Schläger, der sich gern auf die schweigende Mehrheit beruft.« 65
    Da passt es ins Bild, dass nach den NSU-Morden in dem Freistaat jahrelang die Opfer und deren Angehörigen verdächtigt wurden, viele Polizisten scheinen Migranten und Schwarze hauptsächlich als kriminelle Affen oder omnipotente Asylanten wahrzunehmen.
    Es handelt sich also längst nicht nur um ein Versagen des Inlandsgeheimdienstes, sondern um ein gesellschaftliches Problem, dass sich nicht mit ein paar Reformen der Sicherheitsstruktur beheben lässt. Dies zeigt sich auch daran, dass die für die NSU-Morde zuständigen Landeskriminalämter und das Bundeskriminalamt komplett versagten. Pfahl-Traughber mahnt eine »seriöse Antwort« auf die Fragen zu diesem Skandal an, der »eine detaillierte Aufarbeitung der Vorgänge« vorausgehen müsse. Klingt theoretisch gut, praktisch wird dies für die Öffentlichkeit kaum möglich sein, da Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft auf entsprechende Anfragen wenig bis keine Auskünfte erteilen. Die Öffentlichkeit wird kaum informiert, stattdessen präsentieren diese staatlichen Stellen ein Ermittlungsplakat, das an die RAF-Fahndung Ende der siebziger Jahre erinnert. Der
Nordkurier
beklagte sich öffentlich, die Recherchen zu den Verbindungen zwischen NSU-Terroristen und Neonazi-Szene in Mecklenburg-Vorpommern würden durch die Behörden behindert. Nachforschungen der Zeitung hatten ergeben, dass Zschäpe Kontakte zur NPD in Mecklenburg-Vorpommern unterhielt. Die Pressestelle des Schweriner Innenministeriums verweigerte eine Auskunft zu diesbezüglichen Erkenntnissen des Verfassungsschutzes, über die Gesamthöhe der Geldzahlungen an V-Leute in der rechtsextremen Szene des Landes sowie über dessen Verwendung. Das Verwaltungsgericht Schwerin unterstützte in einem Beschluss vom 6. März 2012 diese Position der Landesregierung. Michael Seidel, Chefredakteur des
Nordkurier
, erklärte: »Die Behörde beruft sich selbst bei Anfragen allgemeiner Natur auf ihr Geheimhaltungsbedürfnis und blockt ab. Aber angesichts des massiven Behördenversagens in Thüringen und teilweise in Sachsen, wo mit Unterstützung des Verfassungsschutzes rechtsextreme Aktivitäten nicht nur beobachtet, sondern teils mutmaßlich befördert wurden, sind Fragen nach entsprechenden Vorgängen im Land Mecklenburg-Vorpommern von gewaltigem öffentlichen Interesse.«
    Öffentliches Interesse steht also gegen die Interessen der Geheimdienste, die selbst entscheiden können, welche Informationen sie freigeben und welche nicht. Eine Aufarbeitung der Ereignisse ist hingegen im Untersuchungsausschuss teilweise möglich, wo aber wiederum parteipolitische Interessen eine gewisse Rolle spielen. »Was unklar ist und bleibt, ist die Frage, ob CDU und SPD auch dann noch Aufklärungswillen haben werden, wenn sich abzeichnet, dass ›eigene‹ Minister in den Fokus der Kritik geraten«, betont Martina Renner von der Linksfraktion in Thüringen. 66
    Eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit, sprich durch die Medien, ist so nicht gewährleistet. Ob sich das eine demokratische Gesellschaft leisten sollte, wurde zwischenzeitlich flächendeckend bezweifelt; der Verfassungsschutz stand im Kreuzfeuer der Kritiker – von Antifa-Gruppen bis FAZ. Doch schnell rissen die Innenminister die Debatte wieder an sich, setzten mit der Verbunddatei und dem NPD-Verbot neue Zeichen, die von den großen Medien aufgenommen wurden. Eine grundlegende Debatte um den Verfassungsschutz wurde so erfolgreich verhindert.
    Ist der Verfassungsschutz also auf dem rechten Auge blind, wie es so schön heißt? Nein, das nicht, aber

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