Terror von Rechts
Andreas T., die behaupteten, seine rechte Gesinnung sei ihnen bekannt gewesen. Im Frühjahr 2012 haben die Ermittler auch die Telefondaten der V-Leute überprüft, die Andreas T. führte. Als in Kassel Halit Yozgat ermordet wurde, telefonierte T. mit einem rechtsextremen V-Mann – und zwar um 16.11 Uhr, also kurz vor dem Mord. Darüber hinaus soll der Verfassungsschützer auch an exakt jenen Tagen mit seinem rechten V-Mann telefoniert haben, als in München Theodorus B. und in Nürnberg Ismail Y. ermordet wurden. 68
Hessens damaliger Innenminister, mittlerweile Ministerpräsident, Volker Bouffier (CDU), hatte dem V-Mann bei den Ermittlungen nach dem Mord im Jahr 2006 keine Aussageerlaubnis erteilt. Nun dürfte er zwar Aussagen, aber da das Verfahren gegen T. bereits 2007 eingestellt worden war, muss er es nicht mehr. Welchen rechtsextremen Informanten T. führte, wurde in der Öffentlichkeit bislang nicht beleuchtet. Ständig wurde und wird weiterhin behauptet, man sei auf die Neonazi-Informanten angewiesen, um über mögliche Anschlagspläne und terroristische Strukturen unterrichtet zu sein, obwohl das System nachweislich versagt hat. Immer wieder gaben Verfassungsschützer Entwarnung. Rechtsterroristische Strukturen seien nicht zu erkennen – derweil mordeten die Neonazis. Im Jahr 2004 vermeldete der Verfassungsschutz in einem internen Papier, die Sicherheitsbehörden hätten zwischen 1997 und Ende 2003 in 114 Fällen Waffen, Munition oder Sprengstoff sichergestellt, dennoch seien in Deutschland keine rechtsterroristischen Organisationen und Strukturen erkennbar. Auch in den Publikationen gaben die Verfassungsschützer immer wieder Entwarnung. In dem internen Papier wurden auch die Neonazis Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe erwähnt, auch hier lagen die Sicherheitsexperten weit daneben. So heißt es in der »nur für den Dienstgebrauch« klassifizierten Analyse des Bundesamtes für Verfassungsschutz aus dem Juli 2004, als die Neonazis bereits fünf Menschen ermordet hatten, weiter: »Ungeachtet der Tatsache, dass es den ›Bombenbastlern von Jena‹ jahrelang gelungen war, sich ihrer Verhaftung zu entziehen, gibt es keine wirkungsvolle Unterstützerszene, um einen nachhaltigen Kampf aus dem Untergrund heraus führen zu können.« 69
Dabei hatte der Verfassungsschutz Kontakt zu Neonazis aus dem Umfeld des NSU, wollte sogar Geld an die Rechtsterroristen weiterleiten. Wurden die Terroristen sogar vom Geheimdienst gedeckt? Dieser Gedanke ist eigentlich undenkbar, doch mehrere Punkte sprechen für eine solche These: Die zahlreichen Pannen bei versuchten Zugriffen, das hohe Risiko, das die Terroristen bei den Anschlägen eingegangen waren und die lange Zeit im Untergrund, der kein Untergrund war. Oder tappten staatliche Stellen im Dunkeln, weil sie von den V-Leuten gezielt mit falschen Informationen beliefert wurden? Führten sie den Geheimdienst in die Irre, um die NSU-Kameraden zu schützen? Im Thüringer Heimatschutz gab es V-Leute, von denen einer sogar Steuergelder an die Terroristen weiterleiten sollte, um diese dazu zu bewegen, sich zu stellen – der Plan schlug fehl. Mit anderen Worten, die Neonazis nutzten den Verfassungsschutz möglicherweise, um sich zu finanzieren und falsche Fährten zu legen. Und selbst wenn die Neonazis, die mit dem Geheimdienst eines demokratischen Rechtsstaats kooperieren, nicht falsche Informationen lieferten, sondern nur ein paar entscheidende Dinge wegließen, wie beispielsweise die Rolle von ehemals führenden NPD-Kadern als mutmaßliche Terrorunterstützer, steht fest, dass das ohnehin umstrittene V-Mann-System versagt hat. Das Argument für die staatliche Kooperation mit Rechtsextremen hat sich praktisch in Luft aufgelöst. »Es geht nicht nur um die immensen Summen, die so in die Neonazi-Szene geflossen sind«, betont die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Thüringer Landtag, Martina Renner. 70
Bei dem Ex-V-Mann und Neonazi Tino Brandt stelle »sich auch die Frage nach geheimdienstlicher Aufbauleistung für den Thüringer Heimatschutz, Strafvereitelung und gegebenenfalls auch Anstiftung zu Straftaten.« Brandt hatte Renner zufolge 35 Ermittlungsverfahren, ohne dass auch nur eines zu einer Anklage, Verurteilung oder Verhängung eines Strafbefehls geführt hätte. Brandt sei zudem an Wehrsport beteiligt gewesen, habe scharf geschossen und in Kahla ein Grundstück gepachtet, auf dem paramilitärische Übungen stattfanden. »Tino Brandt war eingebunden in die
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