Terror von Rechts
er sieht die rechtsextreme Bewegung durch einen Zerrspiegel, durch die Brille der V-Leute, die selbst überzeugte Rechtsextremisten sind. Den Linksextremismus sieht er durch die Brille der Extremismustheorie und in der langen deutschen Tradition des Antikommunismus, die den Blick offenbar massiv schärft. Während deutsche Sicherheitsbehörden lange Jahre vor allem im Umfeld der Opfer ermittelten, kamen FBI-Profiler schnell zu einem anderen Szenario, das der Realität deutlich näherkam. Im Juni 2007 hatten die hochspezialisierten Fallanalytiker der US-Behörde auf Bitten deutscher Ermittler die sogenannten Ceska-Morde untersucht. Das Ergebnis fiel nach Informationen des
Spiegels
eindeutig aus. Der Täter sei diszipliniert, er habe die Männer erschossen, weil diese aus der Türkei gekommen seien oder so ausgesehen hätten. Seine Motivation sei eine Mischung aus persönlicher Veranlassung und Nervenkitzel gewesen. Der Mörder hege aus unbekannten Gründen eine tiefsitzende Animosität gegen türkischstämmige Menschen, heißt es demnach in dem FBI-Bericht. Er sei zudem bereit, mit seinen am helllichten Tage begangenen Taten ein hohes Risiko einzugehen. Das FBI empfahl den deutschen Ermittlern bereits im Frühsommer 2007, öffentlichkeitswirksam nach Personen zu suchen, die einen »Groll gegen Türken« hegten und zu den fraglichen Zeitpunkten an den Tatorten gewesen sein könnten. Zudem fiel den US-Fallanalytikern laut
Spiegel
das merkwürdige Kaliber der zweiten Tatwaffe auf: Neben der Ceska 83 hatten die Killer bei ihrem ersten Mord in Nürnberg sowie bei ihrem dritten in Hamburg zusätzlich eine Pistole des antiquierten Kalibers 6,35 Millimeter verwendet. Die Profiler schlussfolgerten daraus, dass es sich wahrscheinlich um eine »alte Waffe« handele, auf die »der Angreifer sehr stolz« sein könnte. Sie rieten den deutschen Kollegen, öffentlich nach Besitzern solcher Waffen zu fahnden. Tatsächlich wurde später im Brandschutt des NSU-Verstecks in der Zwickauer Frühlingsstraße die gesuchte Pistole entdeckt. 67
Welche Rolle spielte Andreas T., ein Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes, der beim Mord an Halit Yozgat im April 2006 in Kassel am Tatort war? Zufällig, wie es später hieß, und erinnern könne sich der Verfassungsschützer, der in der Jugend ein großes Interesse an Nazi-Literatur hatte, an gar nichts. Die Ermittlungen gegen den Geheimdienstler, der auch V-Leute geführt hatte, wurden eingestellt. Die Anwälte der Familie Yozgat, Thomas Bliwier und Doris Dierbach aus Hamburg, wollen das nicht hinnehmen. »Es gibt einfach zu viele Merkwürdigkeiten in diesem Mordfall«, sagt Strafrechtler Bliwier. Die Anwälte wollen sämtliche Akten des Landesamtes für Verfassungsschutz sehen. »Wir werden alles dran setzen, dass die mysteriöse Rolle des Verfassungsschützers aufgearbeitet wird.« Einige Fragen sind offen. Warum meldete sich Andreas T. nicht als Zeuge? Der Geheimdienstler behauptete, er habe den Aufruf wenige Tage später gelesen, habe aber rekonstruiert, dass er an diesem Tag nicht in dem Internetcafé gewesen sei. Für einen Sicherheitsbeamten eine beachtliche Fehlleistung. Die Ermittler rekonstruierten laut
Stern
, dass Halit Yozgat zwischen 16.54 Uhr und kurz vor 17.03 Uhr erschossen wurde. Um 17.03 Uhr fanden ihn sein Vater und ein weiterer Kunde des Internetcafés blutüberströmt. Andreas T. hörte unmittelbar vorher – um 17.01 Uhr und 40 Sekunden – auf, im Netz zu surfen. Danach habe er 50 Cent auf den Tresen gelegt und sei gegangen, gab der Verfassungsschützer zu Protokoll. Halit Yozgat habe er nicht gesehen. Das kommt den Ermittlern seltsam vor. Wenn Halit Yozgat zu diesem Zeitpunkt schon schwerverletzt am Boden lag, hätte der Verfassungsschützer ihn sehen müssen. Andreas T. ist ein Hüne von 1,90 Meter, der den Tresen um Längen überragt. Auch die Blutspritzer auf dem Tresen hätten ihm auffallen müssen. Die anderen vier Zeugen, die zum Tatzeitpunkt in Kabinen mit dem Surfen oder Telefonieren beschäftigt waren, erinnern sich an Knallgeräusche, so als ob ein Stuhl umgefallen oder ein Luftballon geplatzt sei. Andreas T. dagegen gibt an, nichts gehört zu haben. Doch es geht noch weiter: In Gesprächen verschweigt der Geheimdienstmitarbeiter, dass er das Internetcafé, in dem der 21-Jährige erschossen wurde, kennt beziehungsweise regelmäßig besucht. Angeblich wurde Andreas T. in seinem Heimatort »Klein-Adolf« genannt. Journalisten fanden auch Kollegen von
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