Terror von Rechts
Neonazi-Partei kooperierte. Ansonsten hätte kein Scheitern gedroht.
Die Innenminister der SPD sind hingegen bereits seit einigen Jahren der Ansicht, der Staat könne auf die Spitzel verzichten; die aggressiv-kämpferische Verfassungsfeindlichkeit der NPD – Voraussetzung für ein Verbot – lasse sich auch durch öffentlich zugängliche Informationen belegen. Mehrere SPD-Innenminister hatten daher bereits angekündigt, auf V-Leute zu verzichten. Berlins Innensenator Ehrhart Körting betonte 2008: »Sollte es Bundesländer geben, die ihre V-Leute nicht aus den Führungsgremien der NPD abgezogen haben, wäre das nicht verfassungsgemäß.« Zudem betonte Körting, es gebe noch andere nachrichtendienstliche Mittel, die man einsetzen könne – beispielsweise die Telefonüberwachung. »Man kommt auch anders an Informationen als über V-Leute«, so Körting. 76
Gleichzeitig ließen die uneinheitlichen Signale aus den Innenministerien der Länder Schlimmes erahnen, was die internen Absprachen über das V-Mann-System angeht. Besonders unentschlossen präsentierte sich Bayern hinsichtlich des NPD-Verbotsverfahrens. Immer wieder wollten Innenpolitiker aus dem Freistaat mit dem Ruf nach dieser Maßnahme ihre Entschlossenheit beim Kampf gegen den Rechtsextremismus beweisen, alles heiße Luft. Zwischenzeitlich soll Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) immerhin das V-Mann-System in Frage gestellt haben. Bei einem Kamingespräch in Wildbad Kreuth soll Seehofer sein Innenministerium kritisiert haben, berichtete die in Sachen CSU stets bestens informierte
Passauer Neue Presse
im Jahr 2009. Das Ministerium habe ihm bisher keinen einzigen Fall belegen können, in dem Erkenntnisse aus und über die NPD nur aufgrund von V-Leuten hätten gewonnen werden können, wurde Seehofer zitiert. Er schließe daraus, dass V-Leute, die in der NPD mitwirkten und ein neuerliches Verbotsverfahren dadurch verhinderten, folglich nicht notwendig seien. Auf Anfrage des Autors erklärte die bayerische Staatskanzlei, man wolle den Bericht nicht kommentieren, dementiert wurde er jedoch auch nicht.
An der Frage, ob der Staat durch die Zusammenarbeit mit den Neonazis die Partei beeinflusse, war das Verbotsverfahren Anfang des Jahrtausends schließlich gescheitert. Während die Antragsteller, Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat, betonten, die bezahlten Informanten des Staates würden nicht zur Radikalisierung der Partei beitragen und sich im Hintergrund halten, wurde genau dies von mehreren Richtern des Bundesverfassungsgerichts anders eingeschätzt. Die Entscheidung fiel allerdings denkbar knapp aus – für die Einstellung des Verfahrens. Mittlerweile sitzen aber andere Richter in der zuständigen Kammer. Es erscheint durchaus möglich, dass sie bei erneut auftauchenden Aussagen von V-Leuten dieses Mal anders entscheiden und das Verfahren fortführen. »Verfassungsrichter/innen bleiben vom politischen Klima eines Landes nicht unbeeinflusst«, betont auch der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge: »Wenn sich ein gesellschaftlicher Grundkonsens herausbildet, dass organisierter Rechtsextremismus nach Art der NPD den demokratischen Verfassungsprinzipien widerspricht, hätte der Verbotsantrag gute Chancen, vom Bundesverfassungsgericht positiv beschieden zu werden.« 77
Die Verbindungen von ehemaligen Parteifunktionären zum NSU-Netzwerk lieferten mittlerweile weiteres Material für ein Verbot. Offenbar mussten erst die Sicherheitsbehörden derart versagen, wie es in Sachen NSU der Fall ist, so dass ein NPD-Verbot auf den Weg gebracht wird und der Staat nicht mehr Geld an führende NPD-Funktionäre überweist. So hat die Geschichte zumindest auch einen positiven Aspekt. Personelle Konsequenzen wurden bislang jedoch kaum gezogen. Kein Minister musste zurücktreten, keiner wollte die Verantwortung übernehmen. Auch nach dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren übrigens nicht, obwohl dieses Desaster der NPD einen maximalen Nutzen eingebracht hatte. Sie konnte sich als widerständige Organisation gerieren, die dem staatlichen Druck standhält, und sie wurde zur »unverbietbaren« Partei, die der Neonazi-Szene, von Vereinsverboten geschwächt, eine organisatorische Heimat bot. Die NPD schützte sich durch ihre Radikalität vor einem Verbot. Denn die Befürworter der V-Mann-Praxis argumentieren, die NPD sei so gefährlich, dass die Spitzel nicht abgezogen werden könnten. Dadurch wird ein Verbotsverfahren aber unmöglich. Eine paradoxe Situation, die
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