Terror von Rechts
Unterstützerszene für den NSU, hat Geld für die drei vom Verfassungsschutz zur Passbeschaffung erhalten und war auch gegebenenfalls an weiteren Geldbeschaffungen/-transfers oder Nachrichtenfluss zu den drei beteiligt«, fasst Renner zusammen.
Die NSU-Mordserie hat somit bewiesen, dass die V-Mann-Praxis keinen Schutz gegen rechtsextreme Gewalt bietet. Im Gegenteil, es ist angesichts der Vorgänge um den NSU wahrscheinlich, dass die Neonazis unentdeckt geblieben waren, eben weil sie durch V-Leute das Wissen der Behörden manipulieren konnten. Denn obgleich ein ganzes Netzwerk von den Rechtsterroristen wusste, wussten die Behörden angeblich nichts. Der ehemalige Ministerpräsident von Thüringen, Bernhard Vogel, bestätigte den Verdacht, er sagte, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die V-Leute jene, die sie bezahlen, »schlichtweg belügen«. 71
Ein weiterer Nachteil der Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit Neonazis, die Informationen verkaufen – neben der Frage, ob ein Rechtsstaat überhaupt mit Rassisten, Antisemiten und Neonazis kooperieren sollte – besteht darin, dass diese Praxis ein Verbot der NPD bislang verhindert hat. Nach der rechtsextremen Mord- und Anschlagsserie wurde einmal mehr über ein Verbot dieser Partei debattiert. Dass sie verboten werden sollte, darüber sind sich die meisten Politiker einig. Die Gründe liegen auf der Hand, denn durch Wahlkampfkostenerstattung und Sitze in Parlamenten kassiert die NPD Hunderttausende Euro pro Jahr, mit denen sie ihre Propaganda verbreiten kann. Zudem nutzt die NPD die Parlamente als Podium für rassistische und antisemitische Hetze; die Liste der Ordnungsrufe und Sanktionen gegen rechtsextreme Parlamentarier wegen verbaler Ausfälle ist lang. Unstrittig ist zudem, dass ein Verbot durch andere Maßnahmen flankiert werden müsste. Es ist ein Instrument von vielen, welches die rechtsextreme Bewegung organisatorisch und finanziell stark treffen würde.
Gegner eines Verbots befürchten eine weitere Radikalisierung der Szene und warnen, die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus werde nach dem Verschwinden der Partei einfach beendet. Wie sich die Neonazi-Szene angesichts der Entwicklung der vergangenen Jahre allerdings noch weiter radikalisieren sollte, ist schwer zu beantworten.
Doch zumeist verläuft die Debatte über ein Verbotsverfahren nicht auf inhaltlicher Ebene, sondern es wird lediglich über die V-Leute gestritten. Die Diskussion dreht sich dabei zumeist um eine Frage: Was ist mit den V-Leuten? An diesen vom Staat bezahlten Neonazis war das erste Verfahren gescheitert. Es war nicht nur einfach gescheitert, sondern es wurde von innen torpediert, wie Martin Dietzsch vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung betont: »Es wurde ja nicht nur dem Gericht, sondern auch den Vertretern der Anklage die frühere V-Mann Tätigkeit eines geladenen Zeugen vorsätzlich verschwiegen. Man hat die eigenen Leute ins offene Messer rennen lassen. Daraus sind nie Konsequenzen gezogen worden.« 72
Immerhin: Mittlerweile weiß fast jedes Kind, dass V-Leute keine guten Agenten sind, die in die Szene eingeschleust werden, sondern dass es sich um überzeugte Rechtsextreme handelt, die Informationen von zweifelhaftem Wert an den Staat verkaufen. Die Medien übernehmen dennoch weiterhin die Begrifflichkeiten des Geheimdienstes, der anderes suggeriert. Man wolle die V-Leute »abziehen«, hieß es immer wieder, obwohl die Neonazis weiter in der Bewegung aktiv bleiben. Der Staat gibt ihnen lediglich kein Geld mehr dafür, dass sie Neonazis sind. Es müsste vielmehr heißen: »Wir, der Verfassungsschutz, stellen unsere jahrzehntelange Zusammenarbeit mit führenden Neonazis, teilweise vorbestraft, üble Hetzer und Gewalttäter, ein – und geben den Rechtsextremen kein Geld mehr für Informationen, die einen zweifelhaften Wert haben und in der Öffentlichkeit gar nicht benutzt werden können, da dann Rückschlüsse auf unsere Quellen möglich werden.« Klingt aber nicht so gut wie: »Wir ziehen unsere V-Leute ab«, oder?
Bei dem gescheiterten Verbotsverfahren hatten die Verfassungsrichter befürchtet, die NPD könnte durch den Staat mit Hilfe der V-Männer gelenkt werden, was angesichts der ausgeführten Beispiele aber sehr fragwürdig erscheint. Weil V-Leute Neonazis sind, die ausgewählte Informationen an den Staat verkaufen, bedeutet dies eben nicht, dass sie vom Verfassungsschutz gesteuert werden. In einer Studie des Duisburger Institut
Weitere Kostenlose Bücher