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Terror von Rechts

Terror von Rechts

Titel: Terror von Rechts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Gensing
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CDU-Politiker zeigten sich irritiert über das Vorgehen gegen König. Kirche, Gewerkschaften und weitere Organisationen erklärten sich solidarisch mit dem Pfarrer. In einem Aufruf, unterzeichnet von zahlreichen Politikern und Vertretern der Zivilgesellschaft aus Thüringen, hieß es, man könne nicht erkennen, dass mit gleicher Intensität Neonazis verfolgt würden.
    Nicht nur die Intensität überraschte, auch der Umfang der Ermittlungen. Neben König sollen auch mehrere Landtagsabgeordnete sowie Bundespolitiker der Linken angeklagt werden, weil sie an Sitzblockaden gegen den Neonazi-Aufmarsch im Februar 2011 in Dresden teilgenommen hätten. Im Freistaat wurde beispielsweise die Immunität von Linksfraktionschef André Hahn aufgehoben, um eine Anklage zu ermöglichen – mit den Stimmen von CDU, FDP und NPD. Auch gegen Abgeordnete in Hessen und Thüringen ging die Dresdner Staatsanwaltschaft vor, sogar zwei Bundestagsabgeordnete der Linken waren betroffen. Besonders bizarr erschien der Fall der sächsischen Landtagsabgeordneten Eva Jähnigen. Auch der Politikerin der Grünen drohte eine Anklage, da sie versucht haben soll, den Neonazi-Aufmarsch friedlich zu blockieren. Jähnigen wies dies allerdings zurück: Ihr werde vorgeworfen, eine angemeldete Versammlung gestört zu haben, allerdings habe sie gar nicht an den Blockaden teilgenommen. Vielmehr sei sie als Mitglied der von Politikern und Juristen gegründeten Arbeitsgruppe Polizeibeobachtung an verschiedenen Orten in Dresden unterwegs gewesen, sagte sie dem MDR. In diesem Zusammenhang habe sie die Polizeieinsätze beobachtet und einen Bericht abgeliefert, und dieser sei sehr kritisch ausgefallen.
    Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft steht nicht nur wegen der Verhältnismäßigkeit in Frage, auch die Rechtmäßigkeit ist umstritten. So gelten friedliche Blockaden nicht zwingend als Nötigung. Zudem hatte der wissenschaftliche Dienst des Bundestages die sächsischen Ermittlungen in einem Gutachten aus einem weiteren Grund angezweifelt. Die Strafverfolgung der Blockadeteilnehmer sei rechtswidrig, weil das sächsische Versammlungsgesetz zwischen Januar 2010 und April 2011 gar nicht gültig war. Dieses Versammlungsgesetz zeigte die Hilflosigkeit, mit der die Landesregierung gedachte, mit dem unerwünschten Gedenken der Neonazis und den Protesten dagegen umzugehen: einfach alles verbieten. Demonstrationen an Orten von historisch herausragender Bedeutung könnten demnach in bestimmten Fällen einfach untersagt werden. Konkret genannt wurden im Gesetz die Frauenkirche und Teile der Altstadt von Dresden am Jahrestag der Zerstörung der Stadt sowie das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig. Die Herausforderungen durch die Neonazi-Aufmärsche sowie die Proteste dagegen, welche offenkundig als mindestens genauso großes Problem angesehen wurden, sollten also durch einen starken Staat und die Einschränkung von Grundrechten gelöst werden. Zudem warfen CDU und FDP einmal mehr, wie es in Sachsen schon seit Jahren gehandhabt wird, alle »Extremisten« in einen Topf. Linkspartei, Grüne und SPD kündigten hingegen eine Klage vor dem Landesverfassungsgericht an, sie mahnten eine politische Lösung an, mit Unterstützung der Bevölkerung – und nicht gegen die Bürger, wie es bei einer Aushöhlung von Grundrechten der Fall ist. Das umstrittene Gesetz wurde vom Verfassungsgerichtshof in Leipzig als ungültig erklärt – wegen gravierender Formfehler. So sei das Gesetz, das sie beschließen sollten, den Abgeordneten im Landtag gar nicht im vollen Wortlaut vorgelegt worden. Eine Regierung will ein Grundrecht einschränken und hält es nicht einmal für nötig, das Parlament darüber ausreichend zu informieren. Die 52 Kläger von Linken, Grünen und SPD beanstandeten zudem, das Gesetz sei auch sonst verfassungswidrig. Darüber urteilten die Richter gar nicht mehr. Die CDU/FDP-Koalition hielt derweil unbeirrt an ihren Plänen fest, trotz der Schlappe – und stimmte im Januar 2012 für einen neuen Entwurf des Gesetzes. Der CDU-Abgeordnete Martin Modschiedler sagte, das neue Versammlungsgesetz schütze die Menschenwürde der Opfer nationalsozialistischer oder kommunistischer Gewaltherrschaft. Wo und wann in Sachsen die Würde der Opfer des Kommunismus überhaupt verletzt wurde, blieb unklar. Klar ist hingegen: In Sachsen kann die Regierung offenbar keinen Satz über NS-Opfer bilden, ohne auch die Opfer des Kommunismus zu nennen. Gleiches gilt für das Thema Neonazis. Geht es

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