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Terror von Rechts

Terror von Rechts

Titel: Terror von Rechts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Gensing
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beispielsweise um die NPD, wird schnell ein Halbsatz nachgeschoben, wonach auch die Linkspartei und die Linksextremisten generell nicht unterschätzt werden dürften. Die Opposition kündigte an, das neue Gesetz prüfen und gegebenenfalls erneut dagegen klagen zu wollen.
    Immer wieder sorgte das rechtlich und politisch fragwürdige Vorgehen der staatlichen Stellen des Freistaats im Zusammenhang mit den Protesten gegen Neonazis in Dresden bundesweit für Aufsehen. Beispielsweise eine Razzia mit Dutzenden vermummten Beamten in einem Parteibüro der Linken, welche später als rechtswidrig eingestuft wurde. Oder die Funkzellenauswertung, welche die Polizei in Dresden bei den Anti-Nazi-Protesten benutzte, um Millionen Datensätze zu sammeln – von unbeteiligten Anwohnern, von Politikern, Rechtsanwälten, Journalisten und Bürgern, die lediglich ihr Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit ausübten. Bei einer Funkzellenauswertung müssen die Telekommunikationsbetreiber sämtliche Verkehrsdaten an die Ermittler liefern. Es handelt sich um alle Daten, die im Rahmen eines bestimmten Zeitraums innerhalb einer oder mehrerer sogenannter Funkzellen angefallen waren. Die Polizei wertete diese aus – auch inhaltlich, wie die
taz
enthüllte. Kritik an dem Vorgehen wies Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) zurück und warnte vielmehr, der Datenschutz dürfe nicht zum Täterschutz werden. So werden Tausende Bürger, die grundlos überwacht werden, zu potentiellen Tätern.
    Gleichzeitig zogen sich die Ermittlungen gegen rechtsextreme Straftäter teilweise über Jahre hin, oder übergeordnete Instanzen ließen sogar Urteile aus Sachsen fallen, da diese fragwürdig seien. So beispielsweise im Fall des Sturm 34, einer Neonazi-Schlägerbande, die einen ganzen Landstrich über Monate terrorisierte. Die Neonazi-Kameradschaft war 2006 in Mittweida gegründet worden. Mit ihrem Namen bezog sie sich auf eine während der Zeit des Nationalsozialismus in der Region stationierte SA-Brigade. Die Organisation hatte sich laut Innenministerium das Ziel gesetzt, eine »national befreite Zone« zu schaffen. Ihre Übergriffe richteten sich vor allem gegen Andersdenkende wie Menschen aus dem linken Spektrum und Ausländer. Bei zahlreichen Überfällen waren etliche Opfer zum Teil schwerverletzt worden. Laut dem sächsischen Innenministerium zählten rund 50 Mitglieder zum harten Kern der Gruppe. Hinzu kamen etwa 100 Sympathisanten. Sachsens damaliger Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) verbot den Sturm 34 im April 2007.
    Mehrmals standen Anführer oder Mitglieder der Schlägertruppe vor Gericht. Für Aufsehen sorgte ein Prozess, in dem es unter anderem um die Frage ging, ob es sich bei der Kameradschaft um eine kriminelle Vereinigung handelte. Die verneinte das sächsische Gericht. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hob im Dezember 2009 ein Urteil des Landgerichts Dresden vom August 2008 auf, das in der Gruppierung allenfalls eine Bande gesehen haben wollte. Ein Urteil, welches für Erstaunen sorgte. Zur Begründung hatte der Richter angegeben, den Angeklagten fehle es »überwiegend am intellektuellen Inventar«. Neonazis schützen sich also demnach durch Dummheit beziehungsweise durch ihre fehlende Fähigkeit zur normalen Konfliktlösung vor einer Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Verbale Auseinandersetzungen kannten die jungen Männer wohl kaum, die im Mai und Juni 2006 mehrere brutale Überfälle in der Region inszenierten, so der Richter weiter. Eine wichtige Erkenntnis im Zusammenhang mit dem NSU: Neonazis werden in der Öffentlichkeit als oftmals wenig intelligent dargestellt und wahrgenommen – daher wird die Bedrohung auch nicht so ernst eingestuft. Und: Es wird den Neonazis schlicht nicht zugetraut, sich klandestin zu organisieren. Dazu fehlt der Blick für die zusammenhängenden Strukturen, das braune Netz wird nicht erkannt, weil Aktivitäten und Überfälle als Einzelfälle abgetan werden. So war es auch in Thüringen, das politisch lange Hand in Hand mit Sachsen ging. »Das Augenmerk lag auf rechtsextremen Parteien«, erklärt Martina Renner von der Linksfraktion im Landtag von Erfurt. 78
    Die Entwicklung der Parteien habe »man fast ausschließlich aus Mitgliederzahl, Aktivitäten, Wahlerfolgen/-misserfolgen bewertet«, so Renner. Damit wird das Unverständnis von Behörden für soziale Bewegungen deutlich, da man nur in der Lage ist, in der Kategorie formaler Parteien zu denken. Renner geht noch

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