Terror von Rechts
bezeichnete Jelpke als »lächerlich«. Schon beim gescheiterten Verbotsverfahren von 2003 habe sich gezeigt, dass »die V-Leute eine bestenfalls zwielichtige Rolle spielten«. Der Schutz vor einer neofaschistischen »Metastasierung«, führte Jelpke aus, brauche weniger staatliche Aufsicht als vielmehr starke gesellschaftliche Antikörper.
Doch damit tun sich viele Konservative schwer. In Norwegen lautete die Antwort auf den rechtsextremen Terror: mehr Toleranz, mehr Offenheit, mehr multikulturelle Gesellschaft. In Deutschland wurden die Ermittlungsbehörden und Geheimdienste, die über Jahre versagt hatten, hingegen mit noch mehr Kompetenzen ausgestattet. Nur der Staatsakt für die NSU-Opfer war ein Signal, das Hoffnung machte. Bislang blieb es bei diesem Signal.
Die Sächsische Demokratie
»Und Tschüss …!«, »Mit Opfermythen Schluss machen«, »Mut, Respekt und Toleranz – Dresden bekennt Farbe!« Diese und andere Parolen schmückten die Transparente der Anti-Nazi-Demonstranten in Dresden anlässlich des Jahrestags der Bombardierung der Stadt am 13. Februar 1945. Auf der anderen Seite prangten revisionistische Sprüche wie »Großvater, wir danken dir!« oder »Kein Vergeben, kein Vergessen alliierter Kriegsverbrechen!«
Tausende Menschen zogen am 13. Februar 2012 auf die Straßen und Plätze der Stadt, um gegen den alljährlichen Neonazi-Fackelaufmarsch zu protestieren und um ihn zu blockieren. Recht erfolgreich. Die Rechtsextremen konnten gerade einmal 1 500 Meter weit marschieren, ein Teilnehmer des »Trauermarsches« klagte nach dem erneuten Desaster in einem bekannten Internetforum, die »Anti-rechts-Mafia aus Antifa und Zivilgesellschaft« habe gewonnen: »Wir haben das letzte große Ereignis verloren, für mich zerschlägt sich gerade eine der letzten Perspektiven. Wie soll es weitergehen? Der Ausblick nur noch Sauf- und Szeneveranstaltungen einer abgeschotteten kleinen Subkultur zu haben, ist zum Kotzen. Das deutsche Volk geht jedes Jahr mehr dem Ende entgegen und der NW [Nationale Widerstand, Anm. d. A.] bewegt sich nur noch, wenn er im Todeskampf zuckt.«
Den friedlichen Protesten und Blockaden gegen den Aufzug der rund 1 500 Revisionisten waren aufwendige und intensive Maßnahmen der Staatsanwaltschaft vorausgegangen – gegen mutmaßliche linke Aufrührer und angebliche Straftäter. Die Dresdner Staatsanwaltschaft warf ihnen vermeintliche oder tatsächliche Straftaten sowie andere Vergehen vor und zeigte bei der Verfolgung ein Engagement, das bislang unbekannt war – zumindest was rechtsextreme Verdächtige angeht. So wurden Razzien in mehreren Bundesländern durchgeführt, unter anderem in Sachsen selbst, aber auch in Berlin und Thüringen. In Jena durchsuchten sächsische Polizisten die Räume eines Jugendpfarrers, dem zunächst nach Paragraph 129 vorgeworfen wurde, eine kriminelle Vereinigung gegründet zu haben. Bei dem Einsatz gegen Lothar König im August 2011 in Jena machten die Einsatzkräfte keinen Halt vor den besonderen Aufgaben des Pfarrers, trotz drohender Verletzung des Seelsorgegeheimnisses drangen 34 Polizisten auf Initiative der Dresdner Staatsanwaltschaft unter anderem in seine Dienstwohnung ein.
Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) kritisierte die Razzia scharf. Bischöfin Ilse Junkermann bezeichnete die Aktion als skandalös; mit der Durchsuchung der Räume und der Beschlagnahme von Datenträgern aus dem Besitz des Pfarrers werde das Seelsorgegeheimnis gefährdet. Junkermann erklärte weiter, es sei »zentral für die Arbeit unserer Pfarrer, dass sich ihnen Gläubige und auch andere Menschen anvertrauen können, ohne die staatliche Kenntnisnahme befürchten zu müssen«. Dieses Interesse sei verfassungsrechtlich geschützt. Die Präsidentin des Landeskirchenamtes der EKM, Brigitte Andrae, sprach von einem gravierenden Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Kirche. Sie kritisierte, dass kirchliche Räume durchsucht worden seien, ohne den Dienstherren vorab zu informieren, und dass während der Aktion Vertretern der Kirche der Zugang zu den Räumen des Pfarrers verwehrt worden sei. Eine Politikerin der Grünen, die den Polizeieinsatz miterlebte, berichtete später, die Beamten hätten Königs Wohnung vollständig durchsucht. Paragraph 129 und eine Razzia in einem anderen Bundesland, das klingt nach einer schweren Straftat eines linksradikalen Pfarrers. Und die Maßnahmen verfehlten bei einigen Multiplikatoren nicht ihre Wirkung. »Wie gefährlich ist
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