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Terror von Rechts

Terror von Rechts

Titel: Terror von Rechts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Gensing
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weiter, sie kritisiert, daneben habe man in den neunziger Jahren die »Skinhead-Szene« und »später Freie Kameradschaften, aber auch die Nazi-Musik-Szene ideologisch, organisatorisch und bezogen auf deren strukturellen Gewaltbereitschaft unterschätzt. Der sogenannten Skinhead-Szene sprach man beispielsweise im VS-Bericht (des Bundes) 1998 lediglich eine diffuse neonazistische Weltanschauung zu und stellte das fast völlige Fehlen von organisatorischen Strukturen fest. Zu dieser ›strukturlosen‹ Szene zählte man auch Blood & Honour und Hammerskins. Eine dramatische Fehleinschätzung mit verheerenden Folgen für das Ermittlungsgeschehen rund um den NSU-Terror.«
    Wie wenig die Bedrohung durch kriminelle Neonazi-Truppen ernst genommen wurde, zeigt beispielhaft der Fall Sturm 34 in Sachsen: Die Bezugnahme seiner Mitglieder auf nationalsozialistische Ideen zeige einen tiefen Rassismus, stellte der Richter immerhin fest. Es sei »die passende Ideologie für Leute, die sich gern prügeln«. Es habe allerdings keinen für alle Mitglieder »verbindlichen Gruppenwillen« gegeben. Aber: Ihnen sei es um Einschüchterung, um das Schaffen einer »national befreiten Zone« gegangen, was nun doch irgendwie entfernt wie ein gemeinsames Ziel klingt. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs lag es hingegen nahe, in der Kameradschaft eine kriminelle Vereinigung zu sehen. Um es zusammenzufassen: Ein neonazistischer Schlägertrupp, der über Jahre eine Region terrorisierte, mehrere Überfälle mit Schwerverletzten verübte, sich einen eigenen Namen zulegte und eine »national befreite Zone« schaffen wollte, wurde in Sachsen nicht als kriminelle Vereinigung angesehen, aber ein Jugendpfarrer, der friedlich gegen Neonazis demonstriert wird hingegen zum Kopf einer solchen Vereinigung erklärt. Neonazis seien schlicht zu dumm, um eine kriminelle Vereinigung zu gründen, linke Rädelsführer wiederum gingen so geschickt vor, dass sie andere zum Steinewerfen animieren, um sich selbst nicht die Finger schmutzig zu machen.
    Doch die Taktik, friedliche zivilgesellschaftliche Proteste zu kriminalisieren, scheint endgültig gescheitert zu sein. Auch die Polizei setzte 2012 in Dresden auf ein Konzept der Deeskalation. Erfolgreich. Ein Protest gegen die Neonazis war in der Nähe des »Trauermarsches« möglich, also auch in Hör- und Sichtweite. 2011 lieferten sich linksradikale Protestierer und Polizei schwere Auseinandersetzungen, der Polizeieinsatz wurde von Beobachtern als konzeptlos und vollkommen überzogen kritisiert. Bisweilen gingen die Beamten mit voller Härte gegen Demonstranten vor, an anderer Stelle, beispielsweise als Barrikaden brannten, waren sie gar nicht zur Stelle. Auch einen Neonazi-Angriff auf ein alternatives Wohnprojekt verhinderte die Polizei nicht, obwohl Kräfte vor Ort waren, wie Videoaufnahmen belegen. Minutenlang konnte ein brauner Mob das Haus angreifen, mit Steinen bewerfen, mit Stangen und Spaten die Fenster an dem Gebäude einschlagen. Die wenigen anwesenden Beamten saßen in ihren Einsatzwagen und schauten zu.
    Im Jahr 2010 wurde die Polizei hingegen aus konservativen und rechtsextremen Kreisen angefeindet, da sie den Neonazis gegen friedliche Blockierer nicht die Straße frei machte. Der Chemnitzer Politologe Eckhard Jesse, Stichwortgeber der Extremismus-Doktrin, sprach gegenüber der
dpa
von einer »Niederlage für den Rechtsstaat«, weil Blockierer einen Aufmarsch von Tausenden Neonazis verhindert hatten. Die rechtsradikale
Junge Freiheit
widmete Sachsens Landespolizeipräsident Bernd Merbitz in diesem Zusammenhang einen umfangreichen Artikel, da dieser das passive Verhalten der Polizei gegenüber den Blockierern folgendermaßen erklärte: Es hätte sich verboten, die Strecke frei zu räumen und mit »Gewalt gegen Kinder und ältere Frauen« vorzugehen. Schließlich sei von den Blockierern keine Gewalt ausgegangen, so Merbitz. Die
Junge Freiheit
zitierte, um Merbitz zu widerlegen, aus einer Pressemeldung der Polizeidirektion Dresden, wonach es »massive Angriffe« auf Polizisten und 15 verletzte Beamte gegeben habe. Allerdings hatte Autor Felix Krautkrämer dabei einige Dinge offenbar übersehen: So schreibt die Polizei »lediglich« von einem massiven Angriff durch mehrere Personen. Von Gewalt seitens der Blockierer war keine Rede. Auch dass 6 der 15 Polizisten durch Neonazi-Attacken verletzt wurden, blieb bei der
Jungen Freiheit
unerwähnt – obwohl dies in der Pressemitteilung der Polizei klar erwähnt

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