Terror von Rechts
verfassungsrechtlich nicht akzeptabel, weil der Bundestagspräsident als Mitglied der stärksten Bundestagsfraktion und somit als Parteipolitiker dafür völlig ungeeignet sei. »Die Prüfungskompetenz über die Verfassungswidrigkeit einer Partei sollte in jedem Fall bei der unabhängigen Judikative verbleiben«, so Weckenbrock.
Der Verfassungsrichter Andreas Voßkuhle hatte sich ebenfalls gegen den Plan ausgesprochen, die NPD von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen. Solange eine Partei nicht verboten sei, nehme sie gleichberechtigt wie jede andere am politischen Prozess teil, sagte Voßkuhle. Man solle nicht versuchen, ein Parteiverbotsverfahren auf »kaltem Wege« einzuführen. Auch in anderen Bundesländern stieß der Vorschlag aus Hannover auf Bedenken. Das CDU-geführte Innenministerium in Sachsen teilte auf Anfrage des Autors mit, man halte den Vorstoß aus Niedersachsen »für rechtlich sehr problematisch«. Der damalige Innenminister von Sachsen-Anhalt Holger Hövelmann (SPD) sagte, es sei ein fragwürdiger Ansatz, zwischen Parteien erster und zweiter Klasse zu unterscheiden.
Der blanke Populismus der jüngsten Wortmeldung aus Bayern, mit der diese Idee wieder aufgewärmt wurde, wird dadurch besonders deutlich, dass die Christsozialen ihre Forderung noch nicht einmal juristisch geprüft hatten. Wer schützt eigentlich die Verfassung gegen solche Angriffe auf Stammtischniveau?
Das gesamte Problem um die V-Männer hätte möglicherweise auch einfach umschifft werden können, wenn Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag beim Verbotsantrag stärker auf die kriminellen Machenschaften der NPD-Mitglieder abgezielt hätten, die von Journalisten und Opferinitiativen immer wieder dokumentiert werden.
Monate nach dem NSU-Skandal und nachdem die Medien immer neue Verbindungslinien zwischen Partei und Terrorunterstützer aufgedeckt hatten, mehrten sich auch in der Union Stimmen, die forderten, die Zusammenarbeit mit führenden NPD-Funktionären zu beenden. Das klang im vergangenen Jahr allerdings noch ganz anders. Im Mai 2011 führte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) aus: »Die NPD ist eine Partei, die gegen unsere Verfassung und gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung arbeitet. Deswegen verstehe ich jeden, der auch emotional begründet fordert, diese Partei gehört verboten […] Aber ein Verbotsantrag würde voraussetzen, dass wir alle unsere Informationsquellen abschalten müssen. Das ist ein sehr hohes Risiko.« Welches Risiko meinte Friedrich konkret? Zu diesem Zeitpunkt existierte offiziell noch gar kein Rechtsterrorismus in Deutschland – und nach dem Bekanntwerden der Anschlags-, Mord- und Raubserie beeilten sich viele Politiker und auch der Generalbundesanwalt, immer wieder zu betonen, die NPD habe mit dem Terror nichts direkt zu tun gehabt. Ja, was denn nun? Und was wäre eigentlich los gewesen, wenn ehemalige oder aktuelle hochrangige Funktionäre einer linksradikalen Partei Kontakte und Verbindungen zu einem Terrornetzwerk gehabt hätten, deswegen sogar inhaftiert wären? Doch Friedrich ließ sich nicht beirren und fügte noch die unvermeidliche Erkenntnis an, wonach man selbst bei einem NPD-Verbot nicht »die Personen und die Ideologie, die dahinter stecken, ausschalten« würde. Selbst nach einem gelungenen Verbot bestünde die Gefahr, dass sich »diese Personen und Ideologien wie Metastasen wuchernd in der Gesellschaft ausbreiten«, sagte der CSU-Politiker. Aus der Linkspartei erntete Friedrich umgehend Widerspruch für seine Unterstellung, die Befürworter des NPD-Verbots würden nicht rational handeln. »Ich bin nicht aus Gefühlsduselei für ein NPD-Verbot, sondern weil es gute sachliche Gründe dafür gibt«, sagte Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke. »Die NPD ist Rückgrat und Hauptsponsor der gewalttätigen Neonazi-Szene. Der Verlust ihrer legalen Basis wäre auch ein Schlag gegen Freie Kameradschaften und andere Nazi-Schläger«, betonte Jelpke. Friedrich verharmlose das Problem, wenn er es als emotionale Angelegenheit abtue. »Angesichts der Tatsache, dass Nazis immer wieder regelrechte Hetzjagden veranstalten und sogar Menschen umbringen, ist die Forderung nach einem NPD-Verbot keineswegs nur emotional begründet, sondern ein Gebot der politischen Vernunft.« Die Befürchtung Friedrichs, das für ein Verbotsverfahren notwendige Abschalten von V-Leuten könne zu einem Informationsverlust der Sicherheitsbehörden führen,
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