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Terror von Rechts

Terror von Rechts

Titel: Terror von Rechts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Gensing
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Artikel des NS-Journalisten Rudolf Sparing vom März 1945 seien »schon die wesentlichen Teile dessen enthalten, was später der ›Dresden-Mythos‹ oder die Legende um Dresden wird. Demnach wäre Dresden eine politisch und militärisch unwichtige Kunst- und Kulturstadt gewesen – voll von unschuldigen Deutschen und Flüchtlingen. Deshalb sei die Bombardierung barbarisch gewesen. Die NS-Propaganda wurde weltweit über die deutschen Botschaften verbreitet. So gelangten die überhöhten Opferzahlen sogar in die internationale Presse. Auch die
New York Times
berichtete darüber.« Das Problem bestehe in einer selektiven Erinnerung und Wahrnehmung, erklärt Fischer. Die Bombardierung werde zum Mythos, wo das eine hervorgehoben und das andere verschwiegen oder vergessen wird. Dies ist der Fall, wenn etwa nur von den Bauwerken und der in Dresden vorhandenen Kunst und Kultur gesprochen wird. Verschwiegen wird dann, dass in Dresden die ersten Bücherverbrennungen während des Nationalsozialismus stattgefunden haben. In Dresden fand auch die erste Ausstellung für »entartete Kunst« statt, die dann Vorläufer wurde für die große Ausstellung in München 1937. Die Niederbrennung der Synagoge in der Reichspogromnacht 1938 wie auch die jüdischen Zwangsarbeiter des sogenannten »Judenlagers« Hellerberg sind andere Beispiele für ausgeblendete historische Fakten. Das ist einer der Mechanismen dieses Mythos: Es werden nur bestimmte Teile erzählt – mit einem ganz bestimmten Zweck. Man kann das einen »memorialen Sichtschutz« nennen. Einfacher gesagt: Wenn an die unschuldige deutsche Stadt erinnert wird, muss nicht an Auschwitz gedacht werden.
    Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, wie Dresden schon zu DDR-Zeiten als Legende aufgebaut wurde. »Die Bombardierung Dresdens wurde ab Anfang der Fünfziger mit Gedenkveranstaltungen groß inszeniert«, so Fischer. Und weiter: Das gute, antifaschistische Deutschland wurde Opfer der »inländischen Verderber«, also Hitlers und des Nazi-Regimes oder, je nach Nuance, der Kapitalisten, die ihn unterstützt hatten. Die »ausländischen Verderber« waren demnach die angloamerikanischen »Terrorbomber«. In den fünfziger Jahren war diese Erzählung wichtig, da im Kalten Krieg die Bombenangriffe für die propagandistische Auseinandersetzung mit dem Westen genutzt werden konnten.
    Diesen tiefverankerten Opfermythos nutzen die Rechtsextremen für ihre Aufmärsche, die anfangs auch noch von vielen Bürgern besucht wurden, die nichts mit der Bewegung zu tun hatten. Mittlerweile sieht der Historiker Fischer aber auch eine Diskursverschiebung, was das Gedenken in Dresden betrifft: »Ab dem Jahr 2000 setzte eine historische Kontextualisierung der Angriffe ein. So wird etwa in der lokalen Presse über das ›Judenlager‹ Hellerberg, die Zwangsarbeit und Todesmärsche durch Dresden berichtet. Für die Diskursverschiebung sind drei Faktoren verantwortlich. Die Modernisierung der Erinnerungspolitik unter der rot-grünen Bundesregierung, die Distanzierung in Dresden vom Nazi-Aufmarsch und eine linke Gedenkkritik und Mobilisierung gegen den Aufmarsch.«
    Damit wird den Rechtsextremen der Anschluss an die bürgerliche Mitte erschwert, durch das Engagement von Bürgern, die sich ihr Recht auf Demonstrationsfreiheit und Widerstand gegen Neonazis nicht nehmen lassen. Die sächsische Regierung hat indes alles versucht, diese neue Protestkultur zu schwächen. Der Landtagsabgeordnete der Grünen Miro Jennerjahn meint daher, es sei angemessen, von einer Sächsischen Demokratie zu sprechen. Der Freistaat erfülle zwar formal die Kriterien einer Demokratie, jedoch werde alles misstrauisch beäugt, was eine Demokratie mit Leben fülle, kritisierte der Obmann der Grünen im NSU-Untersuchungsausschuss. Konkret bezieht er sich auf das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern – »zumindest, wenn es einen politischen Anspruch« habe. »Die sächsische Halbdemokratie«, so Jennerjahn weiter, »wie sie sich in den letzten 20 Jahren unter starker CDU-Dominanz entwickelt hat, ist nach wie vor geprägt von Autoritarismus, jedwede Kritik an konkretem staatlichen Handeln wird als potentiell antidemokratisch gewertet.« Die CDU habe sich in Sachsen de facto zu einer Staatspartei entwickelt, die den Freistaat gewissermaßen als ihren Privatbesitz betrachtet, meint Jennerjahn. »Dies hat dazu geführt, dass die individuellen Grundrechte im staatlichen Handeln oft nur eine untergeordnete Rolle spielen, wie etwa das

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