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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Kalfaterersmaat hatte in einem Trupp mitgearbeitet, der bei Fackellicht die Eismale zwischen den Schiffen reparierte, und hatte bei dieser Gelegenheit mit den Männern von der Erebus gesprochen.
    »Es ist einstimmig, Sir«, erklärte Hickey, als er in der Tür zu Kapitän Croziers winziger Kajüte stand. »Alle Männer wollen einen Gottesdienst. Für alle zwei Schiffe zusammen, Sir.«
    »Sie sprechen für alle Männer auf beiden Schiffen?«, fragte Crozier.
    »Jawohl, Sir. So isses.« Hickey ließ sein einst gewinnendes Lächeln erstrahlen, das immerhin vier seiner restlichen sechs Zähne zum Vorschein brachte. Die Selbstsicherheit des Kalfaterersmaats grenzte schon an Frechheit.
    »Das bezweifle ich«, gab Crozier zurück. »Aber ich rede mit Kapitän Fitzjames und gebe Ihnen dann Bescheid. Wie die Entscheidung auch ausfallen wird, Sie dürfen die Rolle des Kuriers
übernehmen und es allen Männern ausrichten.« Hickeys Klopfen hatte Crozier beim Trinken unterbrochen. Außerdem hatte er den aufdringlichen kleinen Kerl noch nie gemocht. Auf jedem Schiff gab es Querulanten – sie waren Teil des Marinelebens wie die Ratten. Trotz seiner fehlerhaften Grammatik und fehlenden Bildung gehörte Hickey für den Kapitän zu jenen Aufwieglern, die auf einer schwierigen Reise damit begannen, Meutereien zu schüren.
    »Ein Grund, warum wir alle gern eine Messe hätten wie die, wo Sir John – Gott sei seiner Seele gnädig, Sir – immer abgehalten hat, is …«
    »Das wäre alles, Mr. Hickey.«
     
     
    In dieser Woche trank Crozier mehr als gewöhnlich. Die Melancholie, die sonst als loser Nebel über ihm schwebte, drückte ihn nieder wie eine schwere Decke. Er hatte Terry als einen überaus fähigen Bootsmann gekannt, und es war sicherlich ein grausiges Schicksal, das ihn ereilt hatte. Aber die Arktis – und auch die Antarktis – bot eine Myriade von grausigen Todesarten. Wie die Royal Navy insgesamt, sowohl in Friedens- als auch in Kriegszeiten. Während seiner langen Laufbahn hatte Crozier in dieser Hinsicht so manches mit angesehen. Mr. Terrys Tod war gewiss einer der unheimlichsten, die ihm je begegnet waren, und die gesamte Plage schrecklicher Morde war furchterregender als jede andere Seuche, die er an Bord erlebt hatte. Doch Croziers tiefe Melancholie hatte ihren Auslöser eher in der Reaktion der überlebenden Expeditionsteilnehmer.
    James Fitzjames, der Held vom Euphrat, schien dieser Tage allen Mut zu verlieren. Schon in jungen Jahren wurde er von der Presse zum Helden erklärt, noch bevor sein erstes Schiff aus Liverpool abgelegt hatte, weil er über Bord gesprungen war, um einen ertrinkenden Zollbeamten zu retten, obwohl der Offizier,
wie die Times berichtete, »behindert war von einem Mantel, Hut und einer überaus kostbaren Uhr«. Die Kaufleute von Liverpool, die den Wert eines bereits ausgebildeten und entlohnten Zollbeamten kannten, zeichneten den jungen Fitzjames mit einer gravierten Silbertafel aus. Zuerst nahm die Admiralität Notiz von dieser Tafel, dann von Fitzjames’ Heroismus – obwohl die Rettung eines Ertrinkenden durch einen Offizier nach Croziers Erfahrung eigentlich keine Seltenheit war, da nur wenige Matrosen schwimmen konnten –, und schließlich wurden die Admiräle auch darauf aufmerksam, dass Fitzjames »der stattlichste Mann der Royal Navy« sowie ein überaus wohlerzogener junger Herr war.
    Es schadete dem wachsenden Ansehen des jungen Offiziers nicht, dass er sich zweimal freiwillig meldete, um Stoßtrupps gegen räuberische Beduinen zu führen. Den offiziellen Berichten entnahm Crozier später, dass sich Fitzjames bei einem dieser Angriffe das Bein gebrochen hatte und beim zweiten Abenteuer dieser Art in Gefangenschaft geriet. Und als dem stattlichsten Mann der Navy dann die Flucht gelang, stieg Fitzjames’ Ansehen bei der Londoner Presse und der Admiralität noch mehr.
    Dann kamen die Opiumkriege, und im Jahr 1841 erwies sich Fitzjames als wahrer Held, der von seinem Kapitän und der Admiralität nicht weniger als fünfmal belobigt wurde. Mit Hilfe von Raketen trieb der verwegene Bursche, damals gerade neunundzwanzig Jahre alt, die Chinesen von den Bergen in Tze-ki und Segoan sowie bei einer weiteren Gelegenheit aus Chapu, kämpfte an Land in der Schlacht von Wu-sung und griff bei der Eroberung von Chiang-Kiang-Fu abermals auf seine Raketenkenntnisse zurück.
    Auf Krücken und in Verbänden nahm der schwer verletzte Leutnant Fitzjames an der Unterzeichnung des Vertrags von

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