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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Sachen sind schon alt. Manche davon stammen vielleicht sogar noch von Parry und Hoppner. Womöglich sind es zum Teil die gleichen wie die, mit denen ihr vor über zwanzig Jahren euren Karneval veranstaltet habt. Auf jeden Fall liegen da Hunderte von zerlumpten Klamotten in den Kisten.«
    Tief vermummt stand Crozier in der Tür zu Sir Johns früherer Kajüte, in der die beiden Kapitäne in gedämpftem Ton ihre Unterhaltung geführt hatten. Er wartete darauf, dass Fitzjames endlich zur Sache kam.
    »Ich habe mir überlegt, wir könnten in nächster Zeit für die Männer einen Maskenball veranstalten«, erklärte Fitzjames schließlich zögernd. »Natürlich nicht so aufwendig wie euer GroßerVenezianischer Karneval damals – bei dieser … unangenehmen Bedrohung auf dem Eis verbietet sich das von selbst –, aber immerhin wäre es eine kleine Abwechslung.«
    »Vielleicht.« Crozier machte sich nicht die Mühe, seine fehlende Begeisterung zu verbergen. »Darüber reden wir nach dieser verfluchten Messe am Sonntag.«

    »Ja, selbstverständlich.« Wenn er nervös war, wurde Fitzjames’ leichtes Lispeln stärker. »Soll ich nach Männern schicken, die dich zur Terror zurückbegleiten, Francis?«
    »Nein. Und geh heute mal früher schlafen, James. Du siehst mitgenommen aus. Wir brauchen beide unsere Kräfte, wenn wir vor versammelter Mannschaft am Sonntag eine anständige Predigt halten wollen.«
    Fitzjames setzte ein pflichtbewusstes Lächeln auf. Crozier empfand es als matt und seltsam beunruhigend.
     
     
    Am Sonntag, den 5. Dezember 1847, ließ Crozier auf der Terror eine Notmannschaft von sechs Leuten unter dem Kommando des Ersten Leutnants Edward Little zurück, der sich wie Crozier lieber seine Nierensteine mit dem Löffel hätte herausschälen lassen, bevor er sich eine Predigt anhörte. Auch der Assistenzarzt MacDonald und der Maschinist Thompson blieben an Bord. Die restlichen Seeleute folgten ihrem Kapitän, dem Zweiten Leutnant Hodgson, dem Dritten Leutnant Irving, den zwei Unterleutnants Hornby und Thomas, dem Schiffsarzt, dem Proviantmeister und den Deckoffizieren. Es war kurz vor vier Glasen der Vormittagswache. Dennoch wäre es unter den zitternden Sternen noch stockdunkel gewesen, wenn nicht das tanzende und zuckende Polarlicht zurückgekehrt wäre, unter dem die Prozession lange Schatten über das zerfurchte Eis warf. Sergeant Solomon Tozer, dessen auffälliges Muttermal im Gesicht im bunten Flackern der Aurora borealis besonders furchterregend wirkte, leitete die Garde der Seesoldaten, die mit schussbereiten Büchsen vor, neben und hinter dem Zug marschierten. Doch das Wesen aus dem Eis ließ die Männer an diesem Sonntagvormittag in Ruhe.
    Die letzte Versammlung beider Mannschaften zum Gottesdienst hatte im kalten Licht der Junisonne auf dem Oberdeck
stattgefunden, kurz bevor das Ungeheuer ihren frommen Expeditionsleiter mit hinab in die Finsternis unter dem Eis gerissen hatte. Da es jetzt draußen mindestens minus fünfundvierzig Grad hatte, wenn kein Wind wehte, hatte Fitzjames das Unterdeck für die Messe vorbereiten lassen. Der große Herd konnte nicht verschoben werden, doch die Männer hatten ihre an Ketten hängenden Backtische so weit wie möglich nach oben gezogen und die beweglichen Schotten entfernt, die das Lazarett, den Schlafbereich und die Messe der Deckoffiziere sowie die Kajüten der Ärzte und Eislotsen abtrennten. Es war immer noch eng, aber der Platz musste reichen.
    Außerdem hatte der Zimmermann Mr. Weekes auf einem niedrigen Podest eine Kanzel errichtet. Es war nur sechs Zoll hoch, weil unter den Balken, hängenden Tischen und eingelagerten Holzbrettern kaum Raum dafür war. Trotzdem würden Crozier und Fitzjames selbst aus den hintersten Reihen des Gedränges zu sehen sein.
    »Wenigstens werden wir es warm haben«, flüsterte Crozier Fitzjames zu, als Charles Hamilton Osmer, der kahle Zahlmeister der Erebus , mit den Männern den Eröffnungsgesang anstimmte.
    Tatsächlich stieg die Temperatur auf dem Unterdeck so hoch wie schon seit einem halben Jahr nicht mehr, als auf der Erebus noch große Mengen an Kohle zum Heizen verbrannt wurden. Fitzjames hatte sich außerdem bemüht, mehr Licht in den sonst so dunklen und verrauchten Ort zu bringen. Nicht weniger als zehn hängende Lampen, die in verschwenderischer Weise Öl aufzehrten, ließen das Unterdeck so hell erstrahlen wie damals vor zwei Jahren, als noch das Licht der Sonne durch die großen Scheilichten gefallen war.
    Die

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