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Terror

Terror

Titel: Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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ankam.
    »… so wurde von einigen heidnischen Völkern alles, was nur einen Namen hat, für einen Gott oder Teufel gehalten. Ja, es gab keine Sache, keinen Ort, wovon nicht ihre Dichter glaubten: er werde von irgendeinem Geiste beseelt, bewohnt oder besessen. Der unausgebildete Weltstoff wurde für einen Gott gehalten und Chaos genannt. Himmel, Erde, Meer, Planeten, Feuer, Winde waren insgesamt Gottheiten. Männer, Weiber, Krokodill, Kalb, Hund, Schlange, Lauch, Zwiebel, kurz alles wurde vergöttert. Jeder Ort wimmelte von Dämonen , die Ebene von großen und kleinen Panen , das Meer von Tritonen und Wassernymphen. Jeder Fluß, jede Quelle hatte einen Geist gleichen Namens, jedes
Haus seine Laren oder Hausgötter, jeder Mensch seinen Genius oder Schutzgeist. Auch in der Hölle wohnten Geister und Höllendiener wie Charon , Cerberus und die Furien , und des Nachts erschienen die Laren und Lemuren, die Geister der Verstorbenen und ganze Heerscharen von Feen und Kobolten. Auch den Eigenschaften erbaueten sie Tempel, als wären sie Gottheiten – zum Beispiel der Zeit, dem Tage, der Nacht, dem Frieden, der Eintracht, der Liebe, dem Kriege, dem Siege, der Tapferkeit, der Ehre, der Gesundheit, dem Brande im Korn, dem Fieber –, zu welchen oder wider welche sie beteten, als gäbe es wahrhaftig Geister dieses Namens, die über ihnen schwebten und es vermochten, das Gewünschte oder Gefürchtete auf sie niederfallen zu lassen oder fernzuhalten. Sogar ihren eigenen Witz riefen sie als Muse an, ihre Unwissenheit als Fortuna oder Glücksgöttin, ihre Wollust als Kupido , ihren Zorn als Furie , ihre Schamglieder als Priapus , und ihre unwillkürlichen Ergießungen schrieben sie dem Wirken von Incubi und Succubae zu. Kurz, was immer ein Dichter als Person in seine Werke einfügen mochte, machten sie zu einem Gott oder Teufel .«
    Crozier hielt inne und blickte zu den weißen Gesichtern auf. »Und so endet das zwölfte Kapitel des ersten Teils des Buches Leviathan.« Damit schloss er den wuchtigen Band.
    »Amen«, schallte es von den glücklichen Seeleuten zurück.
     
     
    An diesem Nachmittag aßen die Seeleute heißen Zwieback und volle Rationen ihres geliebten Salzfleischs. Die Männer und Seesoldaten von der Terror drängten sich mit ihren Maaten vor dem Mast um die herabgelassenen Tische und benutzten Fässer und Seekisten als Stühle. Es herrschte ein wohltuender Lärm. Die Offiziere beider Schiffe saßen zum Speisen um den langen Tisch in Sir Johns früherer Kajüte. Neben dem vorgeschriebenen Quantum Zitronensaft zur Vorbeugung gegen Skorbut – Dr. MacDonald
machte sich inzwischen Sorgen, dass der Inhalt der Fünf-Gallonen-Fässer allmählich seine Wirkung verlor – erhielten die Seeleute vor dem Abendessen allesamt eine zusätzliche Viertelpinte Rum. Kapitän Fitzjames hatte seinerseits die letzten Reserven aus den Schiffsvorräten aufgeboten und traktierte die Offiziere und Deckoffiziere mit drei Flaschen feinem Madeira und zwei Flaschen Weinbrand.
    Gegen sechs Glasen der Nachmittagswache zogen sich die Männer von der Terror ihre zusätzlichen Schichten über, verabschiedeten sich von den Maaten ihres Schwesterschiffs und stiegen über den Niedergang hinauf unter die steifgefrorene Persenning. Von dort rutschten sie die Böschung aus Eis und Schnee hinab und machten sich unter dem immer noch schimmernden Polarlicht auf den langen Heimweg. Leise tauschten sie geflüsterte Bemerkungen über die Leviathan-Predigt aus. Die meisten Seeleute waren sich sicher, dass die Worte irgendwo in der Bibel standen. Aber woher sie auch stammten, keiner von ihnen wusste so genau, was ihr Kapitän mit dieser Ansprache eigentlich bezweckt hatte, selbst wenn nach der doppelten Ration Rum so manche Meinung vorgebracht wurde. Viele von ihnen hatten die Hände in den Taschen um ihre Glücksbringer aus Bärenzähnen und -klauen geklammert.
    Crozier, der den Zug anführte, hatte eine dunkle Ahnung, was sie bei ihrer Ankunft vorfinden würden: Edward Little und die Wachposten ermordet, Dr. MacDonald abgeschlachtet, der Maschinist Mr. Thompson in Stücke gerissen und zwischen den Rohren und Klappen seiner nutzlosen Dampfmaschine verstreut.
    Doch alles war in Ordnung. Die Leutnants Hodgson und Irving verteilten die Pakete mit Zwieback und Fleisch, die bei ihrem Aufbruch von der Erebus vor einer guten Stunde noch warm gewesen waren. Die Männer, die in der Kälte Wache gehalten hatten, machten sich zuallererst über ihre Extraration Grog

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