Terror
ausschachten, um eine Art Trockendock zu erhalten. Auf diese Weise kommen wir von außen an die Schiffswände.«
»Tauwetter.« Fitzjames’ Lächeln wurde beinahe herablassend.
Crozier zog es vor, das Thema zu wechseln. »Hast du keine Bedenken wegen der aufwendigen Vorbereitungen für diesen Venezianischen Karneval?«
Fitzjames vergaß seine vornehmen Manieren und zuckte mit den Achseln. »Warum sollte ich? Ich weiß nicht, wie es auf deinem Schiff war, Francis, aber auf der Erebus war Weihnachten eine ziemlich trübselige Angelegenheit. Die Männer brauchen etwas, das ihre Moral hebt.«
Die Trostlosigkeit der Weihnachtszeit konnte Crozier nicht abstreiten. »Aber ein Maskenball auf dem Eis und an einem Tag, an dem es vollkommen finster ist? Wie viele Leute werden wir verlieren, wenn draußen dieses Ungeheuer lauert?«
»Wie viele werden wir verlieren, wenn wir uns in den Schiffen verkriechen?« Das angedeutete Lächeln und die zerstreute Miene des Commanders veränderten sich nicht. »Der erste Venezianische Karneval 1824 bei Hoppner und Parry war doch auch ein großer Erfolg.«
Crozier schüttelte den Kopf. »Das war zwei Monate, nachdem wir vom Eis eingeschlossen wurden. Und sowohl Parry als auch Hoppner haben immer auf eiserne Disziplin geachtet. Auch wenn beide Kapitäne das Theaterspielen geliebt und ein gewisses Maß an Albernheit geduldet haben, hat William Parry immer gesagt: ›Maskerade, aber keine Zügellosigkeit, Karneval, aber keine Ausschweifungen!‹ Bei unserer Expedition ist es nicht mehr so gut um die Disziplin bestellt, James.«
Der zerstreute Ausdruck wich aus Fitzjames’ Gesicht, und sein Benehmen wurde steif. »Kapitän Crozier, wollen Sie mir vorwerfen, dass ich eine Lockerung der Schiffsdisziplin zugelassen habe?«
»Nein, nein, nein.« Crozier wusste selbst nicht recht, ob er dem Jüngeren einen Vorwurf machen sollte oder nicht. »Ich wollte nur sagen, das ist unser drittes Jahr im Eis, nicht wie bei Parry und Hoppner der dritte Monat. Es ist unvermeidlich, dass durch Krankheit und sinkende Moral auch die Disziplin nachlässt.«
»Ist das nicht umso mehr ein Grund, den Männern diese Unterhaltung zu gönnen?« Fitzjames’ Stimme klang immer noch leicht schneidend. Die angedeutete Kritik seines Vorgesetzten hatte ihm die Röte in die Wangen getrieben.
Crozier seufzte. Es war ohnehin schon zu spät, diesen verdammten Maskenball abzusagen. Die Männer hatten sich völlig in die Sache verbissen. Die Matrosen der Erebus , die sich mit großer Begeisterung in die Vorbereitungen für den Karneval gestürzt hatten, waren genau diejenigen, die eine Meuterei anfachen würden, sollte sich die Gelegenheit dazu ergeben. Als Kapitän musste man eben dafür sorgen, dass diese Gelegenheit nie kam, das wusste Crozier aus Erfahrung. Und er konnte nicht einschätzen, ob der geplante Maskenball in diesem Zusammenhang eher nützlich oder schädlich war.
»Also gut«, lenkte er schließlich ein. »Aber die Männer müssen
begreifen, dass sie kein Stück Kohle und keinen Tropfen Öl oder Holzgeist für die Spirituskocher verbrauchen dürfen.«
»Sie haben versprochen, dass sie nur Fackeln nehmen.«
»Und es gibt auch keine Extrarationen Rum und Essen an diesem Tag«, fügte Crozier hinzu. »Erst heute haben wir die stark verminderten Rationen eingeführt. Da können wir nicht schon am sechsten Tag wegen eines Maskenballs eine Ausnahme machen, dem wir beide obendrein mit gemischten Gefühlen entgegensehen.«
Fitzjames nickte. »Leutnant Le Vesconte, Leutnant Fairholme und einige Männer, die gute Schützen sind, werden in dieser Woche Jagdausflüge unternehmen, um vielleicht Wild zu erlegen. Aber die Männer wissen, dass es normale – oder vielmehr die jetzt geltenden verringerten – Rationen geben wird, wenn die Jäger mit leeren Händen zurückkehren.«
»So wie es in den letzten drei Monaten immer der Fall war.« Nach einer kleinen Pause fuhr Crozier in freundlicherem Ton fort: »Also schön, James. Ich mache mich wieder auf den Heimweg.« In der Tür zu Fitzjames’ winziger Kajüte blieb er noch einmal stehen. »Ach übrigens, warum malen die Männer die Leinwände eigentlich an?«
Fitzjames lächelte abwesend. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, Francis.«
Der Morgen des 31. Dezember 1847 dämmerte kalt und windstill herauf – auch wenn besonders an diesem Freitag von einer Dämmerung nicht die Rede sein konnte. Die Morgenwache unter dem Befehl von Mr. Irving maß eine
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